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doch es gibt augenblicke im leben, in denen schweigen zur schuld und
sprechen zur notwendigkeit wird. oriana fallaci
interview
mit hubsi kramer
"in auschwitz wurde niemand
vergast" 60 rechtsradikale lügen und wie man sie widerlegt
linz war die lieblingsstadt hitlers
die frauen der nazis
die weiße rose - inge scholl
In diesem Sklavenstaat kann man nicht
mehr leben!"
Rupert Mayer Leben im Widerstand
Auf der ganzen Welt zu Hause: das Leben und
Wandern des Zigeuners Karl Stojka
hallo! willkommen! wir ham wieda eine live-sendung, hier
bei uns auf radio orange thema überlebenskünstler, mit einem live-studiogast,
hubsi kramar. peter hat irgendwie eine ganz wichtige besprechung.
bevor hubsi kramer was sagen will, will er musik hören, eine ganz spezielle,
und die kommt jetzt.
(Wagna ovatüre, leida darf i keine musik reinstelln)
-nochmal ein herzliches willkommen, hubsi kramer ist da, hallo hubsi
k. hallo - wir redn üba die übalebenskünstler, nachdem du aufda bühne
sitzt, erzähl doch einfach mal drauf los.
übalebenskünstler
is ein programm, das scho längare zeit läuft, praktisch seit drei jahren,
sich aber ständig sehr vaändat, das permanent auf diese realitäten,
den wahnsinn des täglichen lebens, die politik usw reagiert.
wir sind zu dritt. es gibt ja lebenskünstler von helmut zilk und ganz
berühmten gästen und einem diena hans, der sie bewirtet. und dieses prinzip
bringen wir praktisch. also wir ham einen zilk, den Peter Paul Skrepek
, der noch bessa is, wie da zilk, was ja kaum möglich is, dann hamm als
special gest von ihm, zilk sagt ebm wir wolln doch den östarreichan a
freude machn, also ladn wir den adi ein. also ham sie bei dieser
sache den adolf, den führer eingladen. in der situation is eben zilk wie
immer, also er läßt ihn kaum zu wort kommen. also adi, der doch schon
ein gewichtiges wort in der gesammtheit der geschichte der menschheit
mitzusprechen, wird aba von zilk permanent dran gehindert und kriegt am
schluß dann an tobsuchtsanfall, woa dann alles des sagn kann, wasa sagn
will üba den derzeitigen zustand da ostmark.
- wie hat sie das übahaupt ergeben? wie seid ihr drauf kommen? habt ihr
da so herumgeblöddlt.?
naja, des tuma zwar imma, aba wir denken auch dazwischn. da thomas
gratzer unda bosch ham damals ein crashmusical geschriebm,
das heißt nazis im weltall. da hamma gsagt, also jetzt is hitler,
der ja in einem space-shuttle um die erde fährt, nicht mehr zurück will,
weil er auf haschis is. wurde von göbbels gezwungen, zurückzukehren,
weil es wieder zeit is, für ihn, seinen geist und seine kraft für die
europäischn werte 1zusetzn. und als solcha bin i damals gelandet.
und da hatda thomas kratzer doch die idee ghabt, na es wär doch supa,
wenn diesa fänomenale peter paul , der bei drahdiwaberl
, des schomal gemacht hat a paar mal diese zilkgeschichte, aba in form
diese lebenskünstler, also überlebenskünstler mit den adi hitler. also
dieses prinzip was zilk im fernsehn da imma macht, das wir das jetzt den
menschen nahe bringen. und so is des entstanden und seither is es halt
so gut besucht, ursprünglich wars nur a hetz, wir hamuns mal getroffm,
2x3stundn, und die sache is gestanden. es is imma wundabar, wenn etwas
so entsteht.
-willst du das die menschen wirklich darüber nachdenken, oda einfach nur
haha lustig und
i war imma a vatreter dieser radikalen "ordensindustrie" und
das heißt intelligent unterhaltung. es is für mi imma schrecklich,
diese dummen gschichtn, weil i glaub, es gibt a untahaltung, die intelligent
sein kann. des trifft si in diesm program. es is sehr lustig, sehr
unterhaltsam und gleichzeitg sehr intelligent. es is aba keine
moralische anstallt, wir wißn genau, wos lang geht. intressant
is, daß sie bei diesm abend quer durch alle lager die leut gut untahaltn
und supa finden.
-das is ein wirklich lustiges stück. jow. hab ich auch schon gsehn.
du verkleidest dich als hitler auch bei anderen gelegenheiten, seis beim
opernball, im ausland. wie is das jetzt rechtlich? im radio mußma si ans
medienrecht halten. wie gilt das bei dir mit den rechtn?
-naja, i bin ja künstla und ma weiß ja, das i seit über dreißig
jahren im antifaschistischen widerstand bin. dh, als diese regierungsbildung
zusammenkommt, eine regierung, die ja keina als solches gewählt hat, sondan
die si da selbst hingsetzt hat, warum da klestil (anm. schon tot) net
ganz glücklich war drüba, und a großteil da östarreicha a net, und sie
jetzt als regierung aufspielt, also a mindaheit jetzt, des wesentliche
zastörrt, warum österreich so an wohlstand hat, warum aus den trümmern
des faschismus des zweiten weltkriegs erhoben ham, warn die sozialpartnerschaft.
und ma siehts jetzt a wieda, dieser weltkonflikt, der si grad anbahnt,
der is deswegn eina, weil fundamendalisten links und rechts da an krieg
austragen. in wirklichkeit hama nur eine übalebenschance und das is,
wenn leute mitananda redn. das hat österreich damals erkannt, hats
eingeführt und wir hams zu einem enormen wohlstand gebracht. und wema
jetzt wieder zu einem konflikt demokratie zurückkehrt, die ja keine is,
also die konsens: i hab recht und die hackla san hackla und die unternehmer
solln bestimmen, wos langgeht, dann hama genau diese problematik,
das irgendwo extreme geschaffen werden, dann solche dinge, wie das world
trade center zerstörrt werden. also indem sinn ist dieser adolf hitler
von mir eine spielfigur, eine vorlage für des wies net geht. das heißt,
wenn die rechten imma sagn, ja die linken und so, ja die grünen, bringen
immer das chaos, ja es is umgekehrt. das chaos ham imma gebracht die
rechten, die faschisten. und als diese spielfigur bin i ja gerichtlich
anerkannt. dieser prozeß is so ausgegangen, daß ich frei gesprochen wurde,
weil da opernball is jetzt laut gericht eine faschingsveranstalltung
und hitla isja offensichtlich damals gstorbm. also der schreck, daßi
wirklich adolf hitler wäre, der ja nur für die polizei so war, eben es
hat sie festgstellt, das war doch nicht adolf hitler, des isa schauspieler
und politisch agierender künstler. (augenzeugenberichte
und mehr vom 2.3.00 /
bericht im tatblatt mit videoausschnitten )
-bist du in letzer instanz freigesprochen?
in dieser sache. aber i habja permanent sachen laufen. a diese geschichte
da letztes jahr mitn neuntn novemba reichskristallnacht,
(historisches
in beitrag 3 und 4) wie wir mit sa uniformen, a kollege
und ich die hanni hiob, tochter vom brecht und den zenker mit judensternen
vor uns hergetrieben haben, in da kärnterstraße, um drauf aufmerksam zu
machen, was die reichskristallnacht eigentlich wirklich war in österreich.
vorallem umso schlimmer war das ganze, weil die bundesregierung damals
demonstrativ beim heurigen gseßn is. also es is wirklich unwahrscheinlich,
kein wort des bedauerns. na! ma setzt sie zum heurigen! vahaftet
wurdn aba wir. also ich wieder, weil i ja ein hackenkreuz getragen
hab, was bei an sa-man so is. und das darf man nicht. man darf zum
heurigen gehn und so tun als hättma damals net a in östareich unter mittäterschaft
der österreichischen leute menschen umgebracht. des is vabotn, wema eigentlich
dagegen ein sichtbares bild und zeichen setzt. und da hab i no weiter
verfahren wiederum laufen.
-was war in frankreich damals?
zwei dinge, der hitlaauftritt beim eiflturm. hitla warja napoleonfan.
weil napoleon hat das ja scho vorexerziert, diese zwar scheinbar mit da
französichen revolution moralisch die keule vor sich hergetragen. in wirklichkeit
hata aba als diktator europa übaschwemmt, auch an moskau gescheitert,
also an den "barbaren" sozusagen. und hitler is damals nach
paris gfahrn,.., is dirket inden invalidendom
zu napoleon um seinen geist aufzusaugen. isa dort a stunde gestanden,
über diesem sarkofag napoleons, der gar net drinnen glegn is,
also is net genug geist rauskommen, isa a gescheitert in moskau. und dieses
hamma nachgemacht
ich als hitla beim eiflturm, wo a net raufkommt da hitla damals, weila
kurzatmig war. außadem isda lift net gangen. also es war a
ziemlich erbärmliche niedalage für den führa.
und im invalidendom, des isa mitltärisches sperrgebiet,
weil es gehörrt den militärs. und da is dann die militäpolizei draufkommen,
daß uns eigentlich sofort vahaften müßn, aba da warns spät, weilma dann
sofort außahalb da sperrzone warn.
aba da nächste auftritt war dann in nizza
(Indymedia-Zusammenfassung
/Demonstranten
bewiesen, dass der neoliberalistische Kurs der EU aufzuhalten ist
/ Privacy
Policy, how eva)
bei diesen wahnsinnigen ding da, nach prag vor genua, wo die globalisierungsgegner,
was imma ein blödes wort is, wir wollnja ausda globalisierung richtige
konsequenzen ziehen. jetzt kamma damit falsch umgehn, und da starke
den schwachen no schwächa machen und no ina größares elend führen. und
sie dann wundern, wenn dieses elend aufsteht und sagt: wir wehren uns
dagegen, und bestimmte formen des widastands in eina neuen form, eina
gewaltsamen form, die wirklich kana wü, ausbrechen.nizza, also schengenabkommen
des war sehr intressant, daß dieses europa mit den großen maastrich, schengenabkommen,
plötzlich die grenzen für europäa sperrt, die einfach protestieren wollen.
in nizza war halt dann diese gewalt, woma sieht, wie des gmacht wird,
daß die polizei und geheimdienstla mit tränengas und schwersten waffen
gegen demonstranten vorgehn. natürlich sind es gewaltsame bilda, und dann:"
schauts wie da wiederstand gewaltsam is." was ja dann in genua auf
die spitze getrieben worden is. wo i damals gewußt hab, nach genua fahr
i sicha net, weil diese gewaltaktionen gesteuat von da polizei, militär
und geheimdienst, des hat si klar abgezeichnet, daß das die mittln
unsra sogenannten wundabaren führer sind.
- viele menschen, wolln si mim thema nazionalsozialismus garnet auseinanda
setzn. die wolln das 1fach nur ignorieren und sagn halt, na damals hama
nicht glebt, immawieda das selbe hören, das nervt mich und alles. wie
willst du die erreichen?
naja, ich werde sie nicht erreichen, sondan es wird sie des erreichen,
wasda nazionalsozialismus war, nämlich da ausdruck des faschismus,
dh. da kapitalismus auf die spitze getrieben, und den hamma jetzt,
den turbokapitalismus, endet imma im faschismus, dh. um die sozialpartnerschaft
zu zerschlagen, das was hitler damals gmacht hat, war auch die gewerkschaften
zerschlagen,usw. er hat keine opposition gebraucht, er hat lauter ja-sager
gebraucht. ein volk, ein reich, ein führer. und des braucht der kapitalismus
zu an bestimmten punkt imma, weil die krise des kapitalismus, seine
widersprüche führen immerwieder zu diktatorischen zuständen, weil
so a elend entsteht, daß dann irgendwann den leuten, es einfach reicht,
weils zwenig zu essen ham, weils ka arbeit ham. und plötlich gibts dann
soziale aufstände. und das hatsi damals als nazionalsozialismus, in österreich
als austrofaschismus geäußert. und diese zustände werden imma wieda
kommen, wenn man nicht vernünftig auf die probleme dieser welt reagiert,
sondan mitan hauruck und rachemethode. dann ziehtma die nächsten sogenannten
terroristen wieder heran. terrorismus, barbarei, zivilisation, was sind
das schon für begriffe? undamit werden die wurzeln für ein noch größeres
übel gelegt. also jetzt scheintsja so zu sein, als wärma im 12.jahrhundert.
-wie reagieren deine vawandtn, familie auf deine aktionen?
warum ich imma so "frei" als künstler war, weil meine eltern ganz tolle
leute waren. sie haben mir soviel selbstbewußtsein gegeben, daß ein
kritischer mensch aus mir werden hat können. der seine energien für
außn zur verfügung hat, zum zuschaun, nachdenken was da draußn passiert
und mi als künstler darauf reagieren lassen. und des is des was an menschen
zum menschen macht. wenn i ständig mit meinen neurosen und psychosen
zu tun hätte, die in mir zerstörrarischen kräfte, weil ich nie
geliebt wurde, weil i ständig falsch nach liebe suche. mein vater,
für den war des imma schwierig, weil der war arzt und war zwar ein opfer,
weil er in rußland gwesn is, anda front, als arzt und damals ja 48 stunden
durch immerwieder ohne morfium praktisch händ und füß abschneiden mußte,
schwerkrank nervlich zurückgekommen is. der hat inan megadelemma gelebt,
also dieser alten generation, diese obrigkeit und staatlichkeit, gleichzeitig
wara humanist, latein und altgriechisch studiert, als dichter und arzt
wara halt woandast. aba das is halt für diese generation a sehr schwierige
gschicht gwesn. erzogen gewesen sein in dem untertanengeist, plötzlich
freie kinder heranzuziehen, die sie zwar wollten, aba wo eigenes material
dagegensteht. wir tragen ja alle dieses material in uns. was uns ja auch
so widersprüchlich macht. warums net das böse dort gibt und das gute da.
sondan des is alles in uns. der kampf gegen das böse, isja imma nur
gegen die eigene problematik in sich gerichtet und wird nach außen projeziert
- sind deine eltern ein bisschen stolz auf dich?
mein vata deswegen net, weila tot is. meine mutta deswegn net,
weil sie sehr alt is, sie hat mi imma geliebt, nie vorhaltungen gmacht
und hat natürlich imma angst. weil sie doch mitkriegt, daß des was
i lebe, net geführt hat zu eina villa in döbling, net zu an audi, oda
irgendwas, sondan imma dahinführt, daß i am existensminimum lebe.
weil i alle mittel dafür aufwende a mensch zu werden.
. -schauspieler, darsteller werden immer wieder gefragt, ob sie
die charaktereigenschaften ihrer rollen annehmen. wie gehts dir nach einem
auftritt, wenn du denn hitler spielst?
net gut, wenn i den hitler spiele, kriecht dieses psychotisch monster
in mich hinein, weil i mi natürlich mit ihn außananda gsetzt hab. weil
ich mit mit diesen grauen des holocaust. intensiv außananda gsetzt hab.
des is wie a schamanistischer prozeß. du kannst nicht bestimmte
"krankheiten" in dir heilen, wenn du diese krankheit net in angesicht
zu angesicht stellst.
-tutda da hitla irgendwie leid?
mir tut die kreatur mensch leid. weil es gibt nicht das opfer und den
täter. es gibt einfach dieses wesen mensch, das unter enormen widersprüchen
lebt ausda entwicklung, aus dem tierwesen heraus in das spirituelle menschwesen
hinein.
-ich würd jetzt gern musik spielen, was hättest denn gern? was willst
hören?
schwierig, weil als figur adolf, hör i imma gern wagner, weils uns doch
dran ainnat, daß wir dschigiskan übawunden ham. als moderner führer bin
i natürlich sehr da östareichischen volksmusik vabunden, da gfalltma scho
sehr gut, diese damals von mir gedachte entartete musik, anton firn tirol.
je größa da schwachsinn is, desto leichter ises den dingen zu entkommen,
inda wirklichkeit. wemma da wirklichkeit entkommen wollen, dann hörma
uns entweda wagner oder anton aus tirol an. dann hamma a große chance,
daßma so depat san, wiema sind und in ggrrooooßa sichaheit lebm. uns kann
nix passiern.
-du hast die qual der wahl. du mußtas einfach nur sagen
du schau, quäll ma uns halt mim anton und übalegma uns was das heißt.
"musik" i bin so schön, i bin so toll, i bin da anton aus tirol
hubsi kramer jodelt mehrmals hallorödio und singt:
wemma schaun, schaun schaun üban zaun zaun zaun in das schöne land tirooool,
ja da frein si die leise wird wagner eingeblendet hk:ja, wos is den des?
des isja fürchterlich. was is des für a musik?
(wieda wagna)
jow, das war wagner.hast du angst, fürchtest du dich vor gewalttätigkeiten,
anschlägen, brutalitäten?
aus irgendan grund hab i keine angst, bisher in diesen dingen.
nur was in den letzten tagen passiert, krieg i einfach diese angst,
weil so eine manipulation lauft, daß es wahnsinnig schwer is, sich dem
entziehen. es wird ein krieg ausgesprochen, vorbereitet. es is wie
vorm ersten weltkrieg.
-ihr sprechts diese world trade center tragödie auch direkt in den
überlebenskünstlern an. glaubst du nicht, daß die menschen auch hingehn,
um zu vageßn? daß sie schon genug von dem ganzen ham? und das gar nicht
mehr hören wollen?
wir tuns nur rein in einem ironischen kurzen block, daß wir nicht die
aktualitäten ausgrenzen, weil dann kannst a theataprogram nicht mehr machen.
wenn für mi theater unaktuell wird, dann is es eigentlich vorbei,
dh. für mi is ganz wichtig, warum i weis, i sitzt heute da mit an publikum,
mach mit ihnen was gemeinsam. wir hams letztes mal das erste mal gmacht,
und es hat dem keinen abbruch getan, weil es war so intelligent serviert,
daß die leut verstanden ham, was wir damit meinen. und wir sind keineswegs
befürworter, weil gewalt is imma schrecklich, wir dürfen aba nicht
vageßn, daß amerika unta andam a in den letzten 10 jahren inzwischen 500
000 (anm. isne halbe million) kinder auf den gewissen hat, im irak, weils
dort die wasserversorgung zerstörren, ganz bewußt. man darf diese dinge
nicht vergessen. daß die gewalt permanent, auf allen seiten stattfindet,
da hat niemand einen trauertag eingeschaltet, oda was imma. was jetzt
in new york passiert is, is einfach fürchterlich. das heißt die fragen,
die sich uns stellen, werden jetzt neue fragen werden. und da kann
man nicht sagen, ja die amis san sowieso imma oarsch, und die islami san
a imma oarsch, und die taliban san die größten oarsch. so spütsi des
ganze net ab, sondan dazwischen san menschen, zivilbevölkerung, die san
imma die leidtragenden. ganz schrecklich, wenn die militärs jetzt die
oberhand gewinnen, weil so leut wie da tscheni oda rumsfield kommen ausda
nixon administration, also die waren mitmörder inden vietnamkrieg und
die ham momentan die leitung dieses dings üba, und des is wahnsinnig gefährlich.
aba es scheint so, wemma cnn anschaut, daß in amerika zum glück a besonnene
stimmen also gehört werden.
-was denkst du, is da mensch wirklich frei und kann wollen wasa will,
oder sind die menschen nur programmiert, konditioniert?
naja, wir sind sehr stark konditioniert, aba wir ham zum glück durch dieses
kritische denkhirn a möglichkeit bestimmte dinge mitzuentscheiden. aufgrund
meina erfahrung, weil i ja a daoistische, buddhistische sehr stark mit
diesen dingen beschäftigt hab. i glaube, daß die eigene freiheit in ana
disziplin besteht. um meine leistungen zu bringen, habia unheimliche
disziplin und die mi vor allem rettet, weil i dadurch a a distanz
hab zu den anderen. weil es wär schrecklich, wenn i 1fach an standpunkt
hätte und recht hätte. es san 1fachvasuche die dinge zu begreifen.
-deine daoistische sicht, die hast du schon ein paarmal angesprochen,
es is schon möglich, zBkleiner prinz, aba wie kann man hier daoistisch,..
ja schau, des is ja a was die wirtschaft übanommen hat, wir wissen ja,
daß die zen buddhistischen bücha inda wirtschaft a hit waren, die wirtschaftskapitäne
ham plötzlich meditationstraing gmacht, weil es ganz wichtig is in großen
streßsituationen, in schwierigsten entscheidungen ruhig zu bleiben. das
heißt du bist umso leistungsfähiger, je mehr ruhe du bei deinen dingen,
die du zu machen hast, hast. das tägliche leben ist so komplex, kann
so vawirrend sein, so streßhaft sein, wenn du dann net methoden hast,
um dich zu beruhigen, dann bist 1fach valoren.
-ein bisschen provokanta gefragt, schwimmst du auf eina modewelle?
eha die modewelle schwimmt auf mir, wenn i ma anschau, was i wann wie
gmacht hab, san dinge meistens später gekommen. aba i will das net so
sagen, weil es gibt dinge, die liegen in da luft, da is niemand da
afinda, oda große guru. sondan, wenn du sendibl bist, wirst du bestimmte
dinge aufgreifen, vorfühlen und da kannma si a irrn, und ma is wieda inda
sackgasse.
-was is eigentlich für dich schlimma, gefährlicha menschen, die zu
ihrer einstellung stehn, egal ob rechts oda so, oda findest du opportonisten
schlimmer gefährlicher ?
schau gefährlich, sagma so, i persönlich hab imma vasucht, zu eina
art offenheit zu gelangen,extremisten links oda rechts, oda fundamentalisten,
was ja a alles extremismus is, menschen, die kan respekt vor irgendeina
andan meinung ham, sondan nur glauben, sie ham recht. auch in mir selba,
isda fundamentalist gefährlich, wenn i in probleme komme, dann deswegen
weil i möglicherweise eine eingeschränkte sicht der ding habe. dieses
ringen um diese art offenheit in mir selba, man ertappt sich ja selber
dabei wie ma in beziehungen falsch reagiert und plötzlich aggressiv wird,
oda afoch an riesnfehla macht, inda erziehung von kindan kommtma in riesenfallen.
(music: sturmbandführamaia, konstantin
wecker)
hk´s comment: supa, ja, wahnsinn
-stell dir mal vor, also nur rein hypothetisch, es kommt zu dir eine
fee, hehe, und sagt, du hast drei wünsche frei. würd dir das reichen?
na das geht si net aus. i hatte früha große wünsche ghabt, habma
die meisten afüllt
- was waren so deine großen wünsche?
zerst reisen, i war in afganistan, anfang 70er, jemen, afrika, meine
großen wünsche waren die odyssen, um die menschen kennenzulernen, vaschiedene
kulturen. materiel hab i net große wünsche ghabt, weil i kann nur auf
an klo sitzten, brauch a kan goldenen klodeckel, bin sehr gerne im wald
bei diesen verrichtungen. mir kamma (kann man) schwer durch materiellen
dingen eine freude machen. dann hätti imma gern a schiff ghabt, weil i
nie in an land sein wollte, keine heimat haben wollte, wo dann imma irgendwelche
wahnsinnige aufstehen und mit ihren nationalistischen gelüsten den großteil
der bevölkerung, den kleinen mann zerstörren sozusagen. sondan i hätt
gern a boot, schiff ghabt und wenns wo depat wären, wär i 30 km raus gfahren
und dann zum nächsten land geschippert. da i diese mittln aba nie
hab, das geld, bin i halt draufkommen, nachdem was i vawirklicht hab,
es is eigentlich schöna ma hat an traum. indem moment, wo du dir an
traum vawirklichst, was i a viel gemacht hab, mit meinen liebschaften
und so, dann kommt die realität und die is ganz andast als der traum.
das heißt du kommst von an gefängnis in das nächste. du befreist die aus
an gefängnis, hast an traum und denkst dort möcht i sein, und dort stellst
fest, isja wieda a gefängnis. dieser traum mit den schiff, es is so toll
mein schiff, es is wirklich das schönste schiff der welt, das meer
is am größten, die lända sind am kleinsten, da nationalsozialismus is
gar net da, weils keine nationen gibt, weil i unheimlich tolle menschen
treff auf mein schiff und wundabare fische, herrliches meer, und dann
kann i wieda anlegn. es is wahsinnig schön einen traum zu haben, den
ma si nie vawirklicht, weil das a megagefängnis wär.
-du fragst deine darstella immawieda nach ihrer kindheit? und ich frag
dich jetzt?
meine kindheit war einfach a traum. i bin geboren nach dem krieg,
48,i hab alles ghabt, wir warn a große familie, i hab lauta gschwista
ghabt, i bin da jüngste, was a net schlecht is, ah net imma, weil meine
art leistungswahnsinn wahrscheinlich damit zamhängt, daß du als jüngsta
di ständig gegen die andan durchsetzen mußt und das spiel spiel i wahrscheinlich
weita oft, scheibbs
is landschaftlich einfach wasma paradies nennen könnte, wemma gsund is,
wemma umanandawetzn kann, es san a dort leiwande menschn. es gibt übaall
unangenehme menschen, aba ma hatja füß, ma kann si umdrehn und woandast
hingehn,...bis die lehra kommen san; war schlagartig für mich die hölle,
i hab von den vielen schulen, wo i drinnen war und rausgflogn bin, von
vielleicht hundat lehran, 5 wirkliche menschen ghabt, die gute lehra warn,
die warn supa. und wie i wieda befreit war von dem irrenhaus und dem
gefängnislagerdasein eines schülers, wars supa, weil reinhardtseminar,
filmhochschule, studium in amerika, theata, umanandafliegn um 25 dolla
nach kabul, was jetzt sicha vorbei is und irrsinnige leiwande menschen
und schöne liebschaften, also was willma mehr? daher hab i soa kraft,
rauszugehn aus mir.
-bei probearbeiten bist du irgendwie da hans dampf in allen gassen,
so wieda flip von da biena maya, mal bist du da, mal bist du dort und
bei den übalebenskünstlern sitzt du ganz ruhig und bewegst dich kaum.
war das irgendwie schwierig für dich?
na, des is gar net schwierig, weil im grunde genommen hab i a große sehnsucht,
als kind wollt i das schon a tarnkappe ham und irgendwo sitzen und kana
siehtmi, i hör und i seh alle. meine hansdampfigkeit, es isja irrsinnig
gut, wenni inan stück bin, woi schlafm kann, mi hinsetz, wo sich die leut
gut untahaltn,..dort sitz i dort und kann mi ausruhen, weil i hab vorher
proben, nachher sitzt i am computer und schreib an stücken. das heißt,
i geh dahin und es is wunderbar, i krieg a bißal a geld dafür, es is a
wahnsinniges schönes dasein, auf ana bühne zu sitzen im zentrum und nix
zu tun und die leut projezieren in dich alles hinein was sie können, und
im führa kannst irrsinnig vüh reinprojezieren, vorallem wenn i
weinend dort sitz und sich denkt, pfau, der warja a mensch, des is ja
eigentlich a mensch gwesn, sowas wie a bestie, des gibts net. aufeinmal
san die leut inda kronenzeitung bestien, es is umgekehrt. es san menschen
halt mit großen fehlan und kaum bieten sie sich dafür an, zu sagen: des
is a bestie, nur um die eigene bestie nicht zu sehen, sitztma dort und
liest die kronenzeitung und des is ja a bestie.
-achtest du auf die reaktionen des publikums?
total. ich liebe ja das publikum!
(music: sage nein, konstantin
wecker)
ende
andres live-special: la cervesa
- oda wie betreib ich ein ganz kleines lokal
"Lüge Nr. 4
»Hitler war ein genialer Politiker.«
Es ist beinahe müßig, auf diesen immer wiederkehrenden Einwand
zu antworten.
Es ist weitaus leichter, eine Politik zu betreiben, die keinerlei Rücksicht
- weder auf das eigene Volk, auf Nachbarvölker noch auf ethische
Normen - nimmt, als eine Diplomatie zu gestalten, die zumindest versucht,
Menschenrecht und Völkerrecht zu achten.
Als Innenpolitiker hat Hitler Deutschland
schon vor Beginn des Krieges in den finanziellen Bankrott geführt.
Außenpolitisch gelang es Hitler nie, den Verbündeten seiner
Wahl, das arische England", zu gewinnen. Militärisch stürzte
er Deutschland in einen Zweifrontenkrieg und machte gegen das Anraten
seiner Generäle den strategischen Fehler, die Hauptstreitmacht nach
Südrußland zu werfen, statt mit aller Kraft den Knotenpunkt
Moskau erobern zu wollen.
Lüge Nr. 6
»Hitler war ein kleiner Mann, der
sich von ganz unten hochgearbeitet hat.«
Gegen all die Mythen, die sich um Hitlers frühe Armut und seinen
Aufstieg ranken, sollte zunächst folgendes eingewendet werden: Hitler
stammte aus bescheidenen Verhältnissen, aber nicht aus einer
Arbeiterfamilie, die unter erbärmlichen Umständen hungerte".
Sein Vater Alois hatte es in der Beamtenlaufbahn zum Zollamtsoffizial
gebracht. Ein Amt, das er zunächst in Braunau, dann in Linz
ausübte. Mit 16 Jahren verließ Hitler ohne Abschluß die
Schule. Aus einer Waisenrente und dem elterlichem Erbe bezog er monatlich
ca. 80 Kronen
Diese Einkünfte lagen über dem Anfangsgehalt eines Lehrers oder
Juristen und erlaubten ihm zunächst ein sorgloses Leben.
Lüge Nr. 9
»Hitler mochte Kinder.« (anm.
mochtn kinda hitla?)
Zunächst scheint es zu den Propagandaelementen einer jeden Diktatur
zu gehören, den zum Übervater erhobenen Diktator auch als Kinderfreund
darzustellen.
z.B. im Film Hitler- eine Karriere", werden selbst psychologisch
Unerfahrene Hitlers hölzernes und verkrampftes Verhalten im Umgang
mit Kindern bemerken.
Lüge Nr. 10
»Hitler war ein begabter und vorausschauender
Ökonom, was die verschwindende Arbeitslosigkeit und der Bau der Autobahnen
belegen.«
Es gab in der Tat einen Abbau der Arbeitslosigkeit, der aber, schaut man
hinter die Kulissen, bei weitem nicht so dramatisch war, wie uns die heutigen
Neonazis vormachen wollen, denn der Hitlerstaat beherrschte alle Taschenspielertricks:
-) So wurden die Frauen freiwillig" aus der Produktion
gedrängt
-) Löhne wurden gekürzt
(die Realbruttolöhne lagen 1937 unterm Stand von 1928, dem Tiefpunkt
der Wirtschaftskrise);
-) Betriebsräte und die freie Wahl des Arbeitsplatzes wurden abgeschafft;
-) 1934 mußten alle Industriearbeiter, die vor weniger als drei
Jahren aus der Landwirtschaft gekommen waren, wieder dorthin zurück;
-) Arbeitsbeschaffungsprogramme (anm, das funktsjoniert heute noch)
und Arbeitsdienst frisierten die Arbeitslosenstatistiken;
-) 1935 schafft die Rekrutierung von Freiwilligen für die Reichswehr
300.000 Männer vom Arbeitsmarkt; die Einführung der allgemeinen
Wehrpflicht 1935 und der 2-jährigen Militärdienstpflicht 1936
tun ein übriges, um Vollbeschäftigung" zu schaffen.
Wegen der massiv gestiegenen Arbeitszeit
und der gleichzeitig gesenkten Löhne ging es der Masse der Bevölkerung
gar nicht so gut. Verschwiegen wird auch zumeist, daß dieser Aufschwung"
auf dem Boden einer völlig unsoliden Finanzierung getätigt wurde.
-) Und es war vor allem die Rüstungsindustrie, welche den Zuwachs
zu verzeichnen hatte.
Der Anteil von Rüstungsausgaben am Staatshaushalt stieg von 1932/33
bis 1938/39 von 7,5% auf 60%. Die Produktion von Konsumgütern war
1936 allerdings immer noch auf einem Stand von vor 1914.
-) Große Anteile der Finanzierung wurde durch sogenannte Mefo-Wechsel"
getragen, ein seit 1934 eingesetztes, von Hjalmar Schacht entwickeltes
Instrument der verdeckten Vorfinanzierung" von Rüstungsausgaben
(Mefo = Metallurgische Forschungsgesellschaft).
Die Mefo, de facto eine völlig unterkapitalisierte
Scheinfirma, stellte 5-jährige Wechsel aus, die - obschon wertlos
- von jeder Bank akzeptiert wurden. So wurden bei den Banken angesammelte
Ersparnisse und Vermögen des Volkes in die Kanäle der Rüstungs-
und Bauwirtschaft geschleust.
Dazu kamen noch Milliardenbeträge aus ebenfalls wertlosen Reichsanleihen.
Eine Praxis, die darauf vertraute, die enormen Schulden nach 1938 aus
den Steuereinnahmen einer gesundeten Volkswirtschaft erbringen zu können.
Als aber absehbar war, daß die Staatsausgaben
nicht gesenkt werden konnten und im Rüstungsbereich sogar noch stiegen,
trat 1937 Schacht als Wirtschaftsminister zurück. Auf diese Weise
entstand neben der ohnehin von den Nationalsozialisten geschürten
Aggression fast schon ein ökonomischer Zwang zum Krieg. Der aufgeblähte
Rüstungsetat sollte sich durch Eroberungen finanzieren. Die rücksichtslose
Ausbeutung der besetzten Länder während des Zweiten Weltkrieges
war ebenso Konsequenz dieser Wirtschaftspolitik wie die Notwendigkeit
zur Währungsreform 1948.
Allerdings sind 130.000 Arbeitsplätze bei fast 1,8 Mio. Arbeitslosen
im Jahre 1936 auch nicht überzubewerten. Auch heute noch scheinen
viele Menschen ein Verbrechen bewußt oder unbewußt zu relativieren,
sofern dieses einen direkten oder indirekten Profit verspricht. Daß
Hitler auch Gutes getan hat, schafft schließlich noch die psychologische
Entlastung gegenüber dem Vorwurf, warum man mitgemacht hat, warum
man sich hat blenden" lassen.
Die Autobahnen sind keine Erfindungen Adolf Hitlers. Die Bezeichnung
Straßen des Führers" ist lediglich eine Wendung
der Goebbelschen Propaganda. In nahezu allen Industrieländern der
Welt wurden in den Zwanziger Jahren umfangreiche Straßenbaupläne
erarbeitet. Als Vorbilder galten die Mailänder Autostrada"
(gebaut 1922-23) und die amerikanischen Highways".
Der Verein zur Vorbereitung der Autostraße Hansestädte-Frankfurt-Basel"
(Hafraba) legte bereits 1927 einen umfassenden Entwurf für ein Autobahnnetz
in Deutschland vor
Lüge Nr. 22
»Die Engländer sind die Erfinder
der KZs.«
Es lassen sich in der Geschichte vieler Nationen gewaltsame Internierungen
von potentiellen oder realen Gegnern nachweisen, die oftmals zu grausamen
Verbrechen führten. Dennoch ist keines dieser Lager mit den Vernichtungsstätten
der Hitlerdiktatur zu vergleichen. Keine Regierung vor Hitler hat sich
je die physische Vernichtung von Millionen von Menschen zum Ziel gesetzt.
Die englischen Camps, deren menschenverachtende Funktion unbestritten
ist, können nicht mit den nationalsozialistischen KZs verglichen
werden. Es handelte sich um Lager, in denen die Menschen zusammengezogen
- konzentriert - wurden, um sie unter Kontrolle zu haben. Die Nazis haben
deshalb den Begriff Konzentrationslager" mit absicht gewählt:
Die Nazis wollten die Deutschen, die Menschen, die gewaltsam dorthin
verfrachtet wurden, und die Weltöffentlichkeit über die wahre
Natur der KZs täuschen und sie als reine Umsiedlungslager erscheinen
lassen."
zitiert aus
"in auschwitz wurde niemand
vergast" 60 rechtsradikale lügen und wie man sie widerlegt
von markus tiedemann bei omnibus
1998 preisträger: das politische buch ISBN 3-570-20990-3
mit fotos, kopien von dokumenten aufgelockerter text -
leider viel zu klein die schriftgröße
"Als im Jahre 1993 Asylbewerberheime brannten und Menschen in
Deutschland ermordet wurden, nur weil sie aus anderen Ländern kamen
und bei uns leben wollten, stellte ich mir vor, was ich eigentlich eines
Tages auf die Frage antworten würde, was ich damals dagegen unternommen
hätte. Ich wollte etwas tun." Markus Tiedemann
linz
war die lieblingsstadt hitlers, und er plante, seinen lebensabend
hier zu vabringen.
albert speer hatte schon mit den obligat gigantomanen entwürfen begonnen,
die das stadtbild massiv vaändan sollten, es fehlte aber an baumaterial
für die machtarchitektur.
in da nähe von hitlers großdeutschen rententraum liegt in lieblichster
umgebung das konzentrationslager mauthausen. schon von weiten erkennt
man die kleine frei stehende anlage,..
auf den gegenüba liegenden hügl bauen handwerker ein einfamilienhaus
für menschen, deren blick aus dem wohnzimmer direkt auf die todesstiege
führen wird.
todesstiege heißt die steile treppe, weil tausende häftlinge
hier die lebenskraft verließ, wenn sie die granitbrocken für
hitlers traumstadt aus dem steinbruch die 186 stufen hoch schleppen mußten.
in mauthausen starben zw 1938 und 1945 mindestens 103 000 menschen an
aschöpfung, krankheit, durch erschießn, giftinjektion ins herz
oder ersticken im gas. mare,
april/mai 2003
"Die Reichstagswahlen (September 1930),
die der NSDAP in Berlin zum
Durchbruch verhelfen sollten, standen vor der Tür. Die Stimmung war
dementsprechend aufgeheizt.
Auch an diesem Abend hieß der Redner Dr. Goebbels. Unter dem frenetischen
Jubel seiner Anhänger und durch ein Spalier von Braunhemden mit zum
Hitlergruß gehobenen Armen, in schwarzer Lederjacke, Reithosen und
hohen Stiefeln hinkte er zum Podium.
Sein Äußeres stand in krassem Widerspruch
zu dem in seinen Reden postulierten Ideal eines großen, blonden
und blauäugigen Germanenrecken, was ihm im Volksmund den Spottnamen
»Schrumpfgermane« eintrug. Auf viele wirkte er unheimlich,
viele mieden ihn. Die Zeitgenossen bescheinigten Goebbels eine sowohl
abstoßende als auch faszinierende Wirkung.
Unter dem Eindruck der Rede Goebbels' ließ sich Frau Quandt als
Mitglied in die NSDAP der Ortsgruppe Berlin-Westend einschreiben, wo man
das Interesse dieser bekannten Dame der ersten Gesellschaft geschmeichelt
zur Kenntnis nahm. Man beriet sie auch im Hinblick auf Lektüre und
Magda vertiefte sich daraufhin in Hitlers »Mein Kampf« sowie
Rosenbergs »Mythos des 20. Jahrhunderts«.
Bald wurde sie Leiterin der örtlichen NS-Frauenschaft. Der enge
Kontakt mit den einfachen Leuten war jedoch nicht nach Magda Quandts Geschmack.
Die Parteibasis sagte ihr nicht zu. Rasch erkannte sie, dass in diesem
Metier ihre Fähigkeiten nicht gefragt waren. Magda kehrte den Nationalsozialisten
jedoch nicht den Rücken, sondern versuchte es eine Stufe höher
und meldete sich in der Hedemannstraise 10, dem damaligen Sitz der Parteileitung,
zur freiwilligen Mitarbeit.
Man teilte sie dem Sekretariat des stellvertretenden
Gauleiters zu. Bald lernte sie Goebbels kennen, er schrieb am 7. November
1930 in sein Tagebuch: »Eine schöne Frau mit Namen Quandt macht
mir ein neues Privatarchiv.« Die sprachkundige Magda sammelte gewissenhaft
alle in- und ausländischen Zeitungsberichte, die über Goebbels
erschienen, und pflegte mit ihrem Chef viel versprechenden Gedankenaustausch.
Goebbels vertraute alles seinen Tagebüchern an - sein Gesellschaftsleben,
die politischen Ereignisse, die Stationen seiner Karriere und seine zahlreichen
Liebschaften.
Am 5. Dezember 1930 erlebte Magda Quandt ihren
verehrten Chef in voller Aktion. Anlass dazu bot die viel beachtete Premiere
des ergreifenden Antikriegsfilmes »Im Westen nichts Neues«
nach dem Buch von Erich Maria Remarque, der das Tabu vom Heldentod brach
und das sinnlose Sterben an der Front verurteilte. Stefan Zweig hat die
Situation charakterisiert: »In Deutschland sind die Nationalisten
am Verzweifeln. Das Buch von Remarque... Auflage 600 000 in zwölf
Wochen, und es geht auf die Million zu - hat sie umgeworfen. Dieses schlichte
und wahre Buch hat mehr ausgerichtet als alle pazifistische Propaganda
in zehn Jahren...« Remarque entlarvte das falsche Pathos der
»Stahlgewitter«, gab es der Lächerlichkeit preis und
wurde damit zum Todfeind der Nazis. »Nieder mit dem Sudelfilm«,
schrieb Goebbels in der Zeitschrift »Angriff«. Dann bereitete
er sich auf die Filmpremiere vor: Er kaufte Karten auf und sprengte -
mittels Stinkbomben und weißen Mäusen - die Vorstellung und
bedrohte die Zuschauer. Sechs Tage später wurde der Film »wegen
Schädigung des deutschen Ansehens« vom Spielplan abgesetzt.
Vier Wochen später reiste Goebbels bereits
in Begleitung Magda Quandts nach Weimar zu einer Parteiversammlung. Dort
traf er auch seine erste große Liebe, die begeistert seiner mit
antisemitischen Ausfällen gespickten Rede lauschte. Goebbels machte
die Damen bekannt. Anka Stahlherm kannte er seit Beginn seines Germanistikstudiunis
im Jahre 1918. Damals war er ihr, getreulich wie ein Schatten, von Universität
zu Universität gefolgt. Nur um Anka nahe sein zu können, hat
er große Entbehrungen auf sich genommen und seine Studien an fünf
verschiedenen Hochschulen absolviert. Er schrieb ihr verliebt sentimentale
Gedichte und ertrug klaglos ihre Launen. Dass die Mutter seiner Freundin
Jüdin war, störte Goebbels nicht.
Anka wiederum nahm den Judenhass von Goebbels als unvermeidlichen Bestandteil
seiner Rhetorik gelassen hin. Erstaunlicherweise war der radikale Antisemitismus
nicht der Grund für das Ende dieser Jugendliebe. Anka heiratete einen
anderen, man blieb herzlich befreundet und als sich das Paar scheiden
ließ, hat Goebbels ihr dabei geholfen. »Und ich fühle,
wie sehr ich diese Frau geliebt habe und noch liebe!«, vertraute
er 1928 seinem Tagebuch an. Erst 1933, als Goebbels bereits Propagandaminister
war, ging er etwas auf Distanz.
Sinneswandel und Widersprüchlichkeit menschlichen
Verhaltens zeigen sich in den Beziehungen sowohl der Magda Quandt als
auch des Joseph Goebbels zum Judentum, in deren beider Leben Juden eine
einschneidende Rolle gespielt haben. Als sie einander 1930 kennen
lernten, steckten beide noch in diesen Beziehungen. Magda Quandt bewunderte
Chaim Arlosoroff und war voll zionistischer Ideen. Beide erlebten ihre
erste große Liebe mit Partnern jüdischer Herkunft.
Magdas glühender, unkritischer Enthusiasmus
für den Nationalsozialismus und ihr Hitlerkult sollten sogar den
ihres Verlobten in den Schatten stellen. Dies besagt viel, denn Goebbels
hatte bereits 1926 geschrieben: »Adolf Hitler, ich liebe dich, weil
du groß und einfach zugleich bist... ich beuge mich dem Größeren,
dem politischen Genie...!« Der Wetteifer um die Nähe und
Gunst des Idols war auch das Band, das Magda und Goebbels zusammenhielt.
Jeder war Hitler auf seine Weise hörig. Und am bitteren Ende ging
Magda eher für Hitler als für Goebbels in den Tod.
Die Schauspielerin und Regisseurin Leni Riefenstahl
behauptet in ihren ein halbes Jahrhundert später entstandenen Memoiren,
dass Magda Goebbels sie ganz vertraulich über ihre Eheschließung
aufgeklärt hätte. »>Ich liebe auch meinen Gatten, aber
meine Liebe zu Hitler ist stärker, für ihn wäre ich bereit,
mein Leben zu lassen... Erst als mir klar war, dass Hitler, außer
Geli, seiner Nichte, deren Tod er nie überwinden wird, keine Frau
mehr lieben kann, sondern, wie er immer sagt, nur Deutschland, habe ich
in die Ehe mit Dr. Goebbels eingewilligt, weil ich nun dem Führer
nahe sein kann.<«
Im Frühjahr 1932 gab Joseph Goebbels sein
Junggesellendomizil in Steglitz auf und zog in Magdas großbürgerliche
Wohnung am Reichskanzlerplatz, die zum privaten Hauptquartier für
Hitler wurde. So fanden die internen Besprechungen der Partei im Salon
der Magda Goebbels statt. Nichts war der unermüdlichen und charmanten,
dabei fast ständig schwangeren Gastgeberin zu viel. Sie kochte
dem »Führer« seine vegetarischen Speisen und öffnete
ihr Heim für Göring, Rohm, Himmler und andere Parteigrößen.
»Seit der Vergiftung Röhms [durch Speisen des Berliner Hotels
Kaiserhof] war Hitler überzeugt, dass das Personal des Hotels mit
Kommunisten durchsetzt war, und sofort hatte sich Magda Goebbels durch
die Zubereitung kleiner, vegetarischer Speisen beliebt gemacht, die in
Wärmebehältern bereits frühmorgens ins Hotel geschickt
wurden...«, schreibt der Auslandspressechef Hanfstaengl in seinen
Erinnerungen.
Am 29. Dezember reiste Goebbels nach Berchtesgaden,
Magda sollte zur obligaten Silvesterfeier auf dem Obersalzberg nachkommen.
Als sich ihr Zustand rapide verschlechterte, kehrte Goebbels am Neujahrstag
1933 nach Berlin zurück: »0 du Himmel, ich bitte dich, lass
sie mir. Ich bin gar nichts mehr ohne sie...«, schrieb er in sein
Tagebuch.
Ganz im Sinne des Nationalsozialismus erfüllte Magda ihre Frauenposition,
als Mutter an der Seite des Mannes »im Hause zu wirken«. Nur
am ersten Muttertag der Diktatur, dem 14. Mai 1933, trat sie an die Öffentlichkeit
und hielt eine Rede mit dem Thema: »Die deutsche Mutter.«
»Heute spricht Magda im Radio...«, notierte sich ihr Mann
stolz. Danach wurde die »ideale Frau Deutschlands« von einer
Journalistin der englischen Zeitung »Daily Mail« aufgesucht,
um von ihr Näheres über den Status der Frauen im Nationalsozialismus
zu erfahren. Frau Goebbels erklärte, dass die in England verbreiteten
Berichte über die Verdrängung der Frauen aus ihren Berufen sehr
übertrieben seien. Nur aus drei Berufen sei die deutsche Frau
jetzt ausgeschlossen: dem militärischen - wie auf der ganzen Welt
-, aus der Regierung und der Rechtspflege. Stehe das deutsche Mädchen
vor der Wahl zwischen Heirat und Beruf, dann werde sie stets zur Heirat
ermutigt werden, da dies zweifelsfrei das Beste für eine Frau sei.
»Ich versuche«, so schloss Frau Goebbels das Interview in
unerwarteter Weise, »die deutsche Frau schöner zu machen!«
Das Zusammenleben der Goebbels verlief anfangs
recht gut. »Magda rief >Engelchen< und herein kam der leibhaftige
Teufel«, bemerkte Ernst Hanfstaengl, der zu Besuch war, sarkastisch.
Nach Hanfstaengls Schilderung bekam Magda später die Komplexe ihres
Mannes zu spüren.
»Nach einer privaten Filmvorführung in seinem Hause rutschte
Goebbels aus und wäre fast gestürzt. Magda konnte ihn gerade
noch festhalten. Nach dem ersten Schrecken packte er sie am Nacken,
zwang sie nieder und zischte mit einem Wahnsinnslachen: >Das hätte
dir ja gepasst, als meine Retterin dazustehen.<«
Am 1. Mai 1945 war jedoch der Selbstmord des Ehepaars
Goebbels beschlossene Sache.
Vergeblich baten Hitlers Sekretärinnen und Liesl Ostertag, Eva Brauns
Dienstmädchen, ihnen doch die Kinder anzuvertrauen.
Rochus Misch, der Funker, beschreibt die gespenstische Szenerie: »Es
gab ein Drama im Führerbunker, als es hieß: >Die Kinder
bleiben hier!< Frauen, Küchenpersonal und Büropersonal kamen
alle und bettelten Frau Goebbels auf Knien um die Kinder an. Dann
war da noch Hanna Reitsch, die Fliegerin. Die wollte die Kinder aus Berlin
herausfliegen. Frau Goebbels lehnte ab.
Dann kam der Tag, an dem Frau Goebbels in meinem Zimmer die Kinder
für den Tod zurechtmachte. Sie steckte sie in weiße Kleider
und kämmte ihnen die Haare. Goebbels war nicht anwesend. Um ca.
19.30 Uhr gab Goebbels den Auftrag, seinen Körper und den seiner
Frau nach ihrem Tod zu verbrennen, davor aber noch durch einen Schuss
den sicheren Tod zu gewährleisten.
Um 20.30 Uhr verabschiedete sich das Paar. Goebbels erschoss sich. Magda
nahm Gift."
zitiert aus anna maria sigmund die frauen der nazis
© 1998 by Verlag Carl Ueberreuter, Wien Wilhelm Heyne Verlag GmbH
& Co. KG, München
II Flugblätter der Weißen Rose
Man kann sich mit dem Nationalsozialismus geistig nicht auseinandersetzen,
weil er ungeistig ist.
...die Wirklichkeit aber bietet uns ein völlig anderes Bild: schon
in ihrem ersten Keim war diese Bewegung auf den Betrug des Mitmenschen
angewiesen, schon damals war sie im Innersten verfault und konnte sich
nur durch die stete Lüge retten. Schreibt doch Hitler selbst in
einer frühen Auflage >seines< Buches (ein Buch, das in
dem übelsten Deutsch geschrieben worden ist, das ich je gelesen habe;
dennoch ist es von dem Volke der Dichter und Denker zur Bibel erhoben
worden): »Man glaubt nicht, wie man ein Volk betrügen muß,
um es zu regieren.«
Jetzt kommt es darauf an, sich gegenseitig wiederzufinden,
aufzuklären von Mensch zu Mensch, immer daran zu denken und sich
keine Ruhe zu geben, bis auch der Letzte von der äußersten
Notwendigkeit seines Kämpfens wider dieses System überzeugt
ist
Wenn so eine Welle des Aufruhrs durch das Land geht, wenn >es in der
Luft liegt<, wenn viele mitmachen, dann kann in einer letzten, gewaltigen
Anstrengung dieses System abgeschüttelt werden. Ein Ende mit Schrecken
ist immer noch besser als ein Schrecken ohne Ende.
III Flugblätter der Weißen
Rose
»Salus publica suprema lex« Alle idealen Staatsformen sind
Utopien
Unser heutiger >Staat< aber ist die Diktatur des Bösen.
»Das wissen wir schon lange«, höre ich Dich einwenden,
»und wir haben es nicht nötig, daß uns dies hier noch
einmal vorgehalten wird.« Aber, frage ich Dich, wenn Ihr das wißt,
warum regt Ihr Euch nicht, warum duldet Ihr, daß diese Gewalthaber
Schritt für Schritt offen und im verborgenen eine Domäne Eures
Rechts nach der anderen rauben, bis eines Tages nichts, aber auch gar
nichts übrigbleiben wird als ein mechanisiertes Staatsgetriebe, kommandiert
von Verbrechern und Säufern?
Ist Euer Geist schon so sehr der Vergewaltigung
unterlegen, daß Ihr vergeßt, daß es nicht nur Euer Recht,
sondern Eure sittliche Pflicht ist, dieses System zu beseitigen?
Wir wollen versuchen, ihnen zu zeigen, daß ein jeder in der Lage
ist, etwas beizutragen zum Sturz dieses Systems. Der Sinn und das Ziel
des passiven Widerstandes ist, den Nationalsozialismus zu Fall zu bringen,...
An allen Stellen muß der Nationalsozialismus angegriffen werden,
(anm, das gilt heute noch) an denen er nur angreifbar ist. Ein Ende muß
diesem Unstaat möglichst bald bereitet werden - ein Sieg des faschistischen
Deutschland in diesem Kriege hätte unabsehbare, fürchterliche
Folgen.
Aristoteles, >Über die Politik«:
»...ferner gehört es« (zum Wesen der Tyrannis), »dahin
zu streben, daß ja nichts verborgen bleibe, was irgendein Untertan
spricht oder tut, sondern überall Späher ihn belauschen,...
ferner alle Welt miteinander zu verhetzen und Freunde mit Freunden zu
verfeinden und das Volk mit den Vornehmen und die Reichen unter sich.
Sodann gehört es zu solchen tyrannischen Maßregeln, die Untertanen
arm zu machen, damit die Leibwache besoldet werden kann, und sie, mit
der Sorge um ihren täglichen Erwerb beschäftigt, keine Zeit
und Muße haben, Verschwörungen anzustiften...
Und auch beständig Kriege zu erregen, ist der Tyrann geneigt...«
Bitte vervielfältigen und weitergeben! (anm damals gab´s
keine kopiergeräte und nix digitales)
IV Flugblätter der Weißen
Rose
Wer hat die Toten gezählt, Hitler oder Goebbels - wohl keiner von
beiden.
Täglich fallen in Rußland Tausende. Die Trauer kehrt ein
in die Hütten der Heimat und niemand ist da, der die Tränen
der Mütter trocknet, Hitler aber belügt die, deren teuerstes
Gut er geraubt und in den sinnlosen Tod getrieben hat. Jedes Wort,
das aus Hitlers Munde kommt, ist Lüge
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, daß
die Weiße Rose nicht im Solde einer ausländischen Macht steht.
Obgleich wir wissen, daß die nationalsozialistische Macht militärisch
gebrochen werden muß, suchen wir eine Erneuerung des schwerverwundeten
deutschen Geistes von innen her zu erreichen. Dieser Wiedergeburt muß
aber die klare Erkenntnis aller Schuld, die das deutsche Volk auf sich
geladen hat, und ein rücksichtsloser Kampf gegen Hitler und seine
allzuvielen Helfershelfer, Parteimitglieder, Quislinge usw. vorausgehen.
Mit aller Brutalität muß die
Kluft zwischen dem besseren Teil des Volkes und allem, was mit dem Nationalsozialismus
zusammenhängt, aufgerissen werden. Für Hitler und seine Anhänger
gibt es auf dieser Erde keine Strafe, die ihren Taten gerecht wäre.
Aber aus Liebe zu kommenden Generationen muß nach Beendigung des
Krieges ein Exempel statuiert werden, daß niemand auch nur die geringste
Lust je verspüren sollte, Ähnliches aufs neue zu versuchen.
Vergeßt auch nicht die kleinen Schurken
dieses Systems, merkt Euch die Namen, auf daß keiner entkomme! Es
soll ihnen nicht gelingen, in letzter Minute noch nach diesen Scheußlichkeiten
die Fahne zu wechseln und so zu tun, als ob nichts gewesen wäre!
Zu Ihrer Beruhigung möchten wir noch hinzufügen, daß
die Adressen der Leser der Weißen Rose nirgendwo schriftlich niedergelegt
sind. Die Adressen sind willkürlich Adreßbüchern entnommen.
Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen; die Weiße
Rose läßt Euch keine Ruhe!
Bitte vervielfältigen und weitersenden!
Das letzte Flugblatt Kommilitoninnen!
Kommilitonen!
Erschüttert steht unser Volk vor dem Untergang der Männer von
Stalingrad. Dreihundertdreißigtausend deutsche Männer hat die
geniale Strategie des Weltkriegsgefreiten sinn- und verantwortungslos
in Tod und Verderben gehetzt. Führer, wir danken dir!
Wollen wir weiter einem Dilettanten das Schicksal unserer Armeen anvertrauen?
Wollen wir den niedrigsten Machtinstinkten einer Parteiclique den
Rest unserer deutschen Jugend opfern? Nimmermehr!
Im Namen des ganzen deutschen Volkes fordern
wir vom Staat Adolf Hitlers die persönliche Freiheit, das kostbarste
Gut der Deutschen zurück, um das er uns in der erbärmlichsten
Weise betrogen. In einem Staat rücksichtsloser Knebelung jeder
freien Meinungsäußerung sind wir aufgewachsen. HJ, SA und
SS haben uns in den fruchtbarsten Bildungsjahren unseres Lebens zu uniformieren,
zu revolutionieren, zu narkotisieren versucht.
Eine Führerauslese, wie sie teuflischer und zugleich bornierter nicht
gedacht werden kann, zieht ihre künftigen Parteibonzen auf Ordensburgen
zu gottlosen, schamlosen und gewissenlosen Ausbeutern und Mordbuben heran,
zur blinden, stupiden Führergefolgschaft.
Gauleiter greifen mit geilen Späßen den Studentinnen an
die Ehre. Kampf gegen die Partei!
Freiheit und Ehre! Zehn lange Jahre haben Hitler
und seine Genossen die beiden herrlichen deutschen Worte bis zum Ekel
ausgequetscht, abgedroschen, verdreht,
Auch dem dümmsten Deutschen hat das furchtbare Blutbad die Augen
geöffnet, das sie im Namen von Freiheit und Ehre der deutschen Nation
in ganz Europa angerichtet haben und täglich neu anrichten. Der
deutsche Name bleibt für immer geschändet, wenn nicht die
deutsche Jugend endlich aufsteht, rächt und sühnt zugleich,
ihre Peiniger zerschmettert und ein neues geistiges Europa aufrichtet
das buch bietet zusätzliche infos
Immer häufiger erschienen in den Zeitungen
kurze Nachrichten über Todesurteile, die der Volksgerichtshof über
einzelne Menschen verhängt hatte, weil sie sich gegen den Tyrannen
ihres Volkes erhoben, und sei es nur in Worten. Heute war es ein Pianist,
morgen ein Ingenieur, ein Arbeiter oder der Direktor eines Werkes. Dazwischen
Priester, ein Student, oder ein hoher Offizier, wie Udet, der genau in
dem Augenblick abstürzte, als er unbequem zu werden begann. Menschen
verschwanden lautlos von der Bildfläche, erloschen wie Kerzen im
Sturmwind. Und wer nicht lautlos verschwinden konnte, bekam ein Staatsbegräbnis.
Ich erinnere mich noch genau an die Beerdigung Rommels. Obwohl es ein
offenes Geheimnis war, daß ihn Hitlers Schergen zum Selbstmord gezwungen
hatten, war in Ulm alles, was eine braune Uniform besaß, aufgeboten
worden, um der Feier beizuwohnen, vom kleinsten Pimpf bis zum ältesten
SA-Mann. Und ich entsinne mich noch, wie ich an den Fahnen vorbeischlich,
um sie nicht grüßen zu müssen.
Die letzten Seiten der Zeitungen waren bedeckt
mit den Todesanzeigen der Gefallenen, mit den eigentümlichen eisernen
Kreuzen. Die Zeitungen sahen aus wie Friedhöfe. Nur die Titelseite
vorne hatte einen anderen Charakter. Sie war bestimmt durch unerträglich
große Schlagzeilen wie diese: »Haß ist unser Gebet-und
der Sieg unser Lohn.«
Die Zeitungen waren verschwiegen und wortkarg, nicht nur wegen der Papierknappheit
Sie verrieten kein Wort von dem Dorfgeistlichen, der ins Gefängnis
gebracht wurde, weil er einen erschlagenen Kriegsgefangenen, der in seinem
Dorf Zwangsarbeit hatte tun müssen, öffentlich in sein sonntägliches
Vaterunser eingeschlossen hatte.
Sie berichteten kein Wort davon, daß täglich nicht nur ein
Todesurteil, sondern Dutzende gefällt wurden. Die Wochenschau schaute
weiß Gott nicht in die Gefängnisse, die beinahe barsten vor
Überfüllung, obwohl ihre Insassen mehr Schatten und Skeletten
als menschlichen Körpern glichen.
Sie erwähnte nicht die junge Frau, die nach dem Fliegerangriff
mit dem einzigen, was ihr geblieben war im kleinen Reisekoffer, ihrem
toten Kind, durch Dresden irrte und einen Friedhof suchte, es zu begraben.
Sie konnte auch nichts von dem einfachen deutschen Soldaten wissen, den
plötzlich mitten in Rußland ein Grauen überfiel, als er
eine Mutter furchtlos zwischen den Fronten einhergehen sah, entschlossen
ihr totes Kind an der Hand nachziehend, von dem sie sich auch bei gütlichstem
Zureden nicht zu trennen gedachte.
Die Zeitung hatte auch nicht das fahle Gesicht jenes Häftlings
gesehen, der nach der Verbüßung seiner Gefängnisstrafe
zuerst strahlend an der Pforte erschien, um seinen Entlassungsschein und
seine kleinen Habseligkeiten in Empfang zu nehmen, statt dessen jedoch
einen Einweisungsbefehl in ein Konzentrationslager erhielt
Es erschien uns manchmal wie ein Wunder, daß es doch noch Frühling
wurde
Schon kurz nach der Rückkehr von der
Ostfront, im November 1942, trafen sich Hans Scholl und Alexander Schmorell
mit Falk Harnack, dem Bruder von Arvid Harnack von der Widerstandsorganisation
Harnack/Schulze-Boysen, die einem Massaker des Volksgerichtshofs zum Opfer
fiel. Bekannt geworden war diese Gruppe unter dem Suchnamen der Gestapo
»Rote Kapelle«. Das Treffen der beiden mit Falk Harnack sollte
die Verbindung zu einer zentralen Stelle der Widerstandsbewegung in Berlin
einleiten. Dabei entwickelte Hans den Plan, an allen deutschen Universitäten
illegale studentische Zellen zu errichten, die schlagartig übereinstimmende
Flugblattaktionen ausführen sollten. Falk Harnack übernahm es,
Hans und Alex am 25. Februar 1943 mit den Brüdern Klaus und Dietrich
Bonhoeffer in Berlin zusammenzubringen
Aber Hans war zu diesem Termin schon tot, Alex auf der Flucht.
Nach dem Tod meiner Geschwister wurden
meine Eltern, meine Schwester Elisabeth und ich in >Sippenhaft<
genommen. Im Gefängnis, in den endlos sich hinziehenden Stunden
des Schmerzes, dachte ich über den Weg von Hans und Sophie nach und
versuchte durch das Filter der Trauer hindurch den Sinn ihres Handelns
zu begreifen.
Am zweiten Tag nach ihrer Verhaftung war
ihnen klar geworden, daß sie mit dem Todesurteil zu rechnen hatten.
Zunächst, bis unter der Last des Beweismaterials alle ihre Verschleierungsversuche
sinnlos geworden waren, hatten sie durchaus einen anderen Weg gesehen
und gewollt: zu überleben und nach dem Ende der Gewaltherrschaft
an einem neuen Leben mitzuwirken
Noch wenige Wochen zuvor hatte Hans mit Bestimmtheit
erklärt - vielleicht angesichts der zahlreichen Todesurteile, die
damals gefällt wurden: »Dies muß unter allen Umständen
vermieden werden. Wir müssen leben, um nachher da zu sein, weil
man uns braucht. Gefängnis und KZ - meinetwegen. Das kann man überstehen.
Aber nicht das Leben riskieren.«
Nun aber hatte sich die Situation jäh geändert. Nun gab es kein
Zurück mehr. Jetzt war nur noch eines möglich: mit Umsicht und
Nüchternheit dafür zu sorgen, daß möglichst wenig
andere hineingezogen wurden. Und mit aller Deutlichkeit noch einmal zu
verkörpern, was man hatte verteidigen und hochhalten wollen: den
unabhängigen, freien, vom Geist geprägten Menschen...
Es herrschte zwischen ihnen, obwohl sie keine Verbindung miteinander hatten,
ein starkes Einvernehmen: alle >Schuld<, alles, alles auf sich
zu nehmen, um die anderen zu entlasten
Dann aber folgten wieder schwere Stunden,
die Sorge um die Freunde, der Schmerz, den Angehörigen solchen Abschied
zumuten zu müssen. Schließlich kam der letzte Morgen
Hans trug seinem Zellengenossen noch Grüße an die Eltern auf.
Dann gab er ihm die Hand, gütig und beinahe feierlich: »Wir
wollen uns jetzt verabschieden, solange wir noch allein sind.«
Darauf drehte er sich stumm zur Wand und schrieb etwas an die weiße
Gefängnismauer.
Eine große Stille war in der Zelle. Kaum hatte er den Bleistift
aus der Hand gelegt, rasselten die Schlüssel, und die Wachtmeister
kamen, legten ihm Fesseln an und führten ihn zur Gerichtsverhandlung.
Zurück blieben die Worte an der weißen Wand, Goetheworte,
die sein Vater oft bei nachdenklichem Auf- und Abgehen vor sich hingemurmelt
hatte, und über deren Pathos Hans hatte manchmal lächeln müssen:
»Allen Gewalten zum Trutz sich erhalten.«
(anm während andre kinda gshlagn wurdn)
»Wenn mein Bruder zum Tode verurteilt
wird, so darf ich keine mildere Strafe bekommen, denn ich bin genauso
schuldig wie er«, erklärte Sophie ihm gelassen.
»So ein herrlicher, sonniger Tag, und ich soll gehen. Aber
wieviele müssen heutzutage auf den Schlachtfeldern sterben, wieviel
junges, hoffnungsvolles Leben... Was liegt an meinem Tod, wenn durch
unser Handeln Tausende von Menschen aufgerüttelt und geweckt werden.«
Als Sophie nach ihrer letzten Nacht geweckt wird, erzählt sie, noch
auf ihrem Lager sitzend, ihren Traum: »Ich trug an einem sonnigen
Tag ein Kind in langem weißen Kleid zur Taufe
Der Weg zur Kirche führte einen steilen Berg hinauf. Aber fest und
sicher trug ich das Kind in meinen Armen. Da plötzlich war vor mir
eine Gletscherspalte. Ich hatte gerade noch soviel Zeit, das Kind sicher
auf der anderen Seite niederzulegen - dann stürzte ich in die Tiefe.«
inge scholl die weiße rose S. Fischer
Verlag GmbH, Frankfurt/Main 1982
Weiße-Rose-Stiftung
Deutsches
Historisches Museum wikipedia aufsatz
von Hanka Kämpf
Dutzende Hilfesuchender gingen täglich bei ihm ein und aus. Nachts
stellte er sich das Telefon neben sein Bett; immer auf dem Sprung, zu
helfen. Jeden Morgen ging Pater Mayer nach seiner heiligen Messe
in den Beichtstuhl bis halb acht Uhr", erinnert sich Käthe Stellner.
Saß er dann beim Frühstück, kam es vor, daß
er bis zu siebenmal wieder zur Beichte abgerufen wurde. Täglich konnte
ich dabei beobachten, daß es ihm gerade eine Selbstverständlichkeit
war, alles liegen und stehen zu lassen und dem Ruf augenblicklich Folge
zu leisten."
Über die schlaflosen Nächte, die
ihm sein schmerzender Beinstumpf bescherte, verlor er fast nie ein Wort.
Zusätzliche Qualen stand er aus, wenn er im Winter schon um vier
Uhr früh bei Schnee und Glatteis unterwegs war, um in Krankenhäusern
die Messe zu feiern. Einmal glitt er so unglücklich aus, daß
er aus eigener Kraft nicht wieder vom Boden aufstehen konnte. Er mußte
eine ganze Weile warten, bis zufällig ein Straßenkehrer vorbeikam
und dem Gestürzten aufhalf. Typisch für Pater Mayer, daß
er diese Geschichte wie einen köstlichen Witz erzählte, hatte
ihn der gute Mann doch zuerst für einen bezechten Spätheimkehrer
gehalten.
Und als man ihn bemitleidete, weil er bei einem Hausbesuch die sehr steil
gebauten Treppen bis in das vierte Stockwerk hinauf zu bewältigen
hatte, sagte er nur lachend: Hinauf ist's anstrengender, herunter
gefährlicher."
Sein kleines Arbeitszimmer gleich neben
der Münchner Michaelskirche wurde zur Drehscheibe einer unkonventionellen
Sozialarbeit: Brotgutscheine, Kohlenlieferungen, Jobvermittlung, zahllose
hartnäckige Telefonate mit den Behörden. Immer wieder machte
er Schulden, um beim Bäk-kermeister oder in den Wirtschaften Brot
und Mittagessen für die ganz Verarmten bezahlen zu können.
Eine Zeitungsreportage aus späterer Zeit - 1936 - illustriert diese
Aktivitäten mit einem erschütternden Einzelschicksal:Ein
Mann, fertiger Ingenieur - der Krieg hat ihm seinen ,Doktor' unterbrochen
- kommt nach dem Friedensschluß aus dem Lazarett. Gesund und arbeitsfroh
- auf das Bein, das man ihm abgenommen, will er gerne vergessen. Er ist
nicht wählerisch, er nimmt eine Stellung als Kaufmann an. Heiratet,
verdient, lebt. Wie eine schwarze Wolke schiebt sich das Gespenst der
Geschäftskrise über sein junges Glück. Sein Unternehmen
verkracht - er ist arbeitslos. Die ersparten Groschen entwerten, er kann
keine Arbeit finden, der Hausrat wandert allmählich zum Trödler,
und was noch bleibt, ist schließlich verpfändet. Die Mutter
erkrankt am Nervenfieber, ein Kind stirbt, das andere kränkelt
Und derweilen dreht die Inflation ihren Veitstanz. Die gerichtlich bestätigte
Ausmietung ist da, alle angerufenen Stellen versagen. Knapp vor dem freiwillig
gewählten Ende kommt ein bescheidener Mann im Priesterrock. Und
unter seinen Händen glätten sich die Wogen. Unumstößlich
erscheinende Beschlüsse werden plötzlich unnötig, eine
kostenlose Heilstätte tut sich auf, eine Arbeitsgelegenheit wird
frei."
Es wäre ein leichtes, Hunderte
dieser Geschichten zu erzählen. Sie spielen alle gleich: Not, Verzweiflung,
und dann der Mann im schwarzen Ordenskleid. Die Leute berichten alle ähnlich
und nennen ihn nur den ,rettenden Engel'.
In einer Zeit, in der ein Viertel der Münchner Bevölkerung
die städtische Fürsorge in Anspruch nehmen mußte und 13
Prozent der Volksschüler nachweislich unterernährt waren, als
Lebensmittel, Holz und Kohlen ebenso fehlten wie Wohnungen und Arbeitsplätze,
in einer solchen Zeit hatte der Priester Rupert Mayer auch eine soziale
Botschaft zu verkünden:
Es ist ein ganz falscher Standpunkt, wenn man meint, man habe sich
nur um die Seele der Armen und Verbitterten zu kümmern und die materielle
Hilfe ginge uns nichts an."
Einen fortgesetzten Diebstahl"
nannte er es, wenn manche Christen ihr Geld sinnlos vergeudeten, während
um sie herum Not und Elend herrschten. Der Moralgrundsatz, daß
man nur vorn Überfluß geben müsse, gilt heute nicht mehr!"
stellte er auf dem Katholikentag 1931 in Nürnberg fest. Den damals
besonders vehement erhobenen Vorwurf, die Priester seien Kapitalistenknechte,
hörte Rupert Mayer gar nicht gern. Schließlich stammten die
allermeisten Priester aus den unteren und mittleren Volksschichten, hielt
er dagegen. Und dem Volk blieben sie schon deshalb treu, weil sie genau
wüßten, daß die sogenannten oberen Zehntausend
die Kirchenbänke nicht sehr strapazieren". Man sollte
sich immer die Hände waschen, wenn man mit Geld zu tun hat",
stellte er lakonisch fest, warnte vor der korrumpierenden Macht des Geldes,
protestierte bei Ämtern und Behörden lautstark, wenn ihm irgendwo
eine diskriminierende Behandlung verschüchterter Habenichtse hinterbracht
worden war - und manchmal ging er bei einem Armenbegräbnis demonstrativ
im feinen Gehrock und mit Zylinder mit,....
Im Gefängnis kann ich mich prächtig
erholen"
Am 10. Juni 1937 wurde der 61jährige in das Gefängnis München-Stadelheim
eingeliefert, wo die sogenannten politischen Kriminellen aus ganz Bayern
einsaßen: Sozialdemokraten, Kommunisten und Christen. Das
freute mich, da ich schon lange gern den Zeiserlwagen von innen mir angeschaut
hätte", notierte Pater Mayer lakonisch (Zeiserlwagen"
nennt man in Bayern die Grüne Minna")
Nach Hause schrieb er in einer Mischung aus Galgenhumor und Lebenskunst:
Liebe Mutter! Ich danke Dir herzlich für Deine teilnehmenden
Zeilen. Mach Dir nur keine Sorgen. Ich bin hier sehr gut aufgehoben.
Ich kann mich prächtig erholen. Jeden Tag gehe ich 30 bis 40
Minuten im Zirkel des Zirkus spazieren - in einem Abstand von 3 bis 4
Schritten. Das bekommt mir ganz gut. Ich bin froh, daß ich mir
im Laufe der Jahre so ziemlich alle Bequemlichkeiten des Lebens abgewöhnt
habe." Natürlich war der Gefängnisalltag für den
Häftling Mayer genauso trist und entnervend und die Ungewisse Zukunft
genauso bedrohlich wie für alle anderen auch.
Was mir draußen jahrelang unmöglich
war, das erreichte ich hier. Ich konnte ein geordnetes geistliches Leben
führen und nach Herzenslust studieren. Nach beidem hatte ich mich
schon so lange gesehnt ..." Dem Priester entging freilich auch nicht,
daß Stadelheim für manchen Mithäftling zur Endstation
wurde. Beim frühmorgendlichen Gang in die Gefängniskirche habe
er schon die schwarzen Tücher um das Schafott herum gesehen, erinnert
er sich an diese Hinrichtungstage
Ich hörte von meiner Zelle aus
die Verlesung des Todesurteils, dann das Armsünderglöcklein
mit seinem schrillen Ton und nach umfassenden Urteilsbegründung,
waren geeignet, in den den Worten des Angeklagten blind vertrauenden
Zuhörern nicht nur Unruhe und inneren Widerstreit hervorzurufen,
sondern darüber hinaus das Vertrauen zum Staate und zur staatlichen
Rechtsordnung in der schwersten Weise zu erschüttern, und zwar weit
über das religiössittliche Gebiet hinaus."
Dabei bewies das Gericht immer noch eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber
dem Regime, indem es den Haftbefehl aufhob, da aufgrund der beruhigenden
Erklärungen Mayers eine Wiederholungsgefahr nicht anzunehmen sei.
Das Schandurteil gegen Rupert Mayer wurde nach dem Krieg nie annulliert.
Der Ankläger aber, der ihm staatsfeindliche Hetze vorgeworfen hatte,
starb 1959 als ehrengeachteter Präsident des Amtsgerichts München
und Vorsitzender des Deutschen Richterbundes. Sein Vorgesetzter, der die
Anklageschrift gegen Mayer unterschrieben hatte, avancierte nach dem Krieg
ebenso glatt zum Präsidenten des Oberlandesgerichts München.
Strafgefangener Nr. 9469 beim Tütenkleben
Nun mußte Pater Mayer seine zunächst ausgesetzte Strafe verbüßen,
im Gefängnis Landsberg in Schwaben, wo Hitler 1923/24 nach seinem
fehlgeschlagenen Putsch eingesessen war und die Bibel" der
braunen Bewegung, Mein Kampf", geschrieben hatte. In München-Stadelheim
sei es ihm zu gut gegangen, mit dieser Begründung hatte die Gestapo
bei der Staatsanwaltschaft den Anstaltswechsel durchgesetzt. Habe
er dort doch die Erlaubnis zum Zelebrieren der Messe gehabt und außerdem
noch einen Wärter, der seiner Männerkongregation angehöre!
In den ersten Wochen war der Strafgefangene
Nummer 9469 in einer Zelle untergebracht, die ein aufklappbares Bettgestell
aus Eisen mit einer seegrasgefüllten Matratze enthielt, ein Wandbrett
und ein Sitzbrett - mit etwas Phantasie konnte man darin Tisch und Stuhl
erkennen -, ein winziges Bücherregal, einen Klosettkübel, Waschschüssel
und Kochgeschirr aus Blech und ein schlichtes Holzkreuz
Später wurde er in eine etwas komfortabler - mit Spülklosett
und einem richtigen Stuhl - möblierte Zelle im Zentralbau verlegt
und schließlich auf Anweisung des Arztes in die Invalidenabteilung.
Der Häftling Mayer hatte sich mit Tütenkleben
zu beschäftigen - die einzelnen Papierstückchen mußten
mit Kleister und einem Holzstäbchen zusammengefügt werden-,
und der stets so gewissenhafte Priester litt schwer darunter, daß
er diese ungewohnte Arbeit - die ihm der Aufseher lediglich zweimal hastig
vorgemacht hatte - nicht im vorgeschriebenen Tempo schaffte
Alles kann ich, reiten, schwimmen, fechten, aber das kann ich
einfach nicht!" gestand er dem Anstaltspfarrer, verzweifelt mit den
widerspenstigen Papierfetzen herumfuchtelnd. Und dabei werde ich
dann vom Aufseher geschimpft, weil ich am Abend nicht so viel fertig habe,
als ich abliefern sollte!" Kein Wunder beim hilflosen Zustand
des Kriegsinvaliden, für dessen amputiertes Bein das schmale Sitzbrett
ein wahres Folterinstrument darstellte, wie der Gefängnisgeistliche
Karl Morgenschweis zu berichten weiß:
Er sollte auf ihm ja gleichzeitig
auch so sitzen, daß er die Arbeit vor sich auf dem Tische machen
konnte. Aber er mußte dann eben das Bein, das in der Mitte des Oberschenkels
amputiert war, hinabhängen lassen, was ihm große Schmerzen
am Ende des Stumpfes bereitete. Darum saß er oft so am Tische, daß
der Beinstumpf auf dem Sitzbrett lag. Er konnte dann nur in halbseitig
gedrehter Haltung am Tisch arbeiten. Wenn er aufstehen mußte, um
sich etwas zu holen, zum Beispiel ein Buch oder die Kostschüssel
aus dem Regal, mußte er das immer hüpfend auf einem Bein machen
und riskierte dabei immer auf den Boden zu stürzen. Sehr schwer
fiel ihm wegen seines Beines das Reinigen des Eßgeschirres und vor
allem das Aufwischen seiner Zelle mit Wassereimer und Putzlumpen."
Von den paar Büchern, die man ihm später in der Invalidenabteilung
erlaubte, hatte er nicht viel, weil er - ausgesuchte Schikane - keinen
Bleistift bekam. So mußte er auf die gewohnten Notizen für
spätere Predigten verzichten und begann stattdessen das Auswendiglernen
der wichtigsten Stichpunkte zu trainieren.
Und doch blieb dieser von Schmerzen geplagte
und um die Zukunft Deutschlands und seiner Mitchristen bangende Häftling
in seiner Isolierzelle gelassen und beherrscht. Er hat niemals
darüber geklagt, daß man ihn ungerecht verurteilt habe",
hält der Anstaltspfarrer fest, wenn er auch immer gegen das
Urteil protestierte"
Pater Mayer selbst hat seinem Provinzial in einem Brief, der allerdings
keine Gnade vor der Gefängniszensur fand, seine innere Verfassung
geschildert:
Das eine scheint mir wichtig: Ich würde alles Zug um Zug
wieder so machen, wie ich es getan habe. Und jetzt bin ich viel lieber
im Gefängnis als draußen unter Einhaltung des Redeverbotes.
Ich bin seitdem wie von einem Gewissensdruck befreit. Und darum lassen
Sie bitte ja den Warmuth kein Gnadengesuch machen um Abkürzung der
Haft. Viel lieber halte ich mich hier im Gefängnis möglichst
lange auf, als daß ich sobald wieder in Polizeihaft komme. Denn
da ich das Redeverbot nicht halten werde, muß ich ja wieder in Haft
kommen, wenn auch das ganze Leben im Wittelsbacher Palais angenehmer ist,
so fehlt doch dort jede religiöse Erbauung ... Die Gottesdienste
sind sehr schön."
Auch mit einem zweiten Brief an den Provinzial
hatte der Häftling kein Glück. Er wurde wegen" Mißbrauchs
der Schreiberlaubnis" konfisziert. Rupert Mayer hatte erneut gebeten,
sich auf keine Kompromisse in der Frage der Predigterlaubnis einzulassen:
Ich weiß wohl, was mir droht, wenn ich hier herauskomme; aber
im Gefängnis leben ist mir viel lieber als auch nur den Anschein
erwecken: Man füge sich dem behördlichen Redeverbot."
Das eine kann ich ruhig sagen: Langweilig war mein Leben nicht."
Überraschend wurde Rupert Mayer vier
Monate nach seiner Verhaftung, am 3. Mai 1938, im Rahmen einer Amnestie
freigelassen,- Hitler wollte mit diesem ungewohnten Akt der Barmherzigkeit
den Anschluß" seiner österreichischen Heimat an
das Deutsche Reich feiern.
In diesem Sklavenstaat kann man nicht mehr leben!"
Der nächste Konflikt mit der Gestapo war bereits vorprogrammiert.
Man wollte von ihm die Namen von Mitgliedern einer patriotisch-königstreuen
Bewegung wissen, die zu ihm gekommen waren, um ihn für ihre Sache
zu gewinnen. Pater Mayer hatte die Herren zwar sofort abgewiesen. Die
Namen wollte er aber nicht preisgeben. Man war sehr höflich
zu mir", berichtet Mayer von dieser neuerlichen Vernehmung, auch
als ich sagte, daß ich darüber jede Auskunft verweigere; ich
würde niemals die Namen nennen, auch wenn sie mich gleich verhaften;
dazu hatte ich gleich mein Köfferchen mitgebracht. Oder wenn
Sie mich erschießen - damit tun Sie mir den größten Dienst,
weil man in diesem Sklavenstaat nicht mehr leben kann."
Ergebnis: am 3. November 1939 erneute Verhaftung.
Offiziell begründete die Gestapo ihre Maßnahme damit, Pater
Mayer habe sich geweigert, eine Liste mit den Namen der im Heeresdienst
stehenden Theologen auszuliefern (Mayer besaß diese Liste gar nicht,
beharrte aber darauf, daß es nicht seine Sache sei, ein solches
Papier der Gestapo in die Hand zu geben). Der eigentliche Grund dürfte
aber sein hartnäckiges Schweigen über die Monarchisten gewesen
sein, die ihn - ganz erfolglos - aufgesucht hatten. Vergeblich beriefen
sich Rupert Mayer und Kardinal Faulhaber auf das vom Reichskonkordat geschützte
Schweigerecht eines Priesters in seelsorglichen Angelegenheiten.
Mayer hat festgehalten, was er damals ausgesagt
hat: Die Menschen kämen zu mir, weil sie wissen, daß
das, was sie mir anvertrauen, unter allen Umständen geheim bleibt.
Es wäre zweifellos ein großer Vertrauensbruch, wenn ich
von dem, was mir als Priester und Seelsorger im strengsten Vertrauen mitgeteilt
wird, anderen und ausgerechnet der Gestapo gegenüber Gebrauch machen
würde." Doch solche Erläuterungen waren natürlich
sinnlos. Rupert Mayer wurde wegen Unbotmäßigkeit"
und Unterstützung staatsfeindlicher Bestrebungen", wie
es hieß, inhaftiert
Über seine erste Vernehmung durch einen Regierungsassessor im Gestapo-Hauptquartier
notierte er:
Ich betonte, daß ich keinerlei Mitteilung machen würde,
auch nicht, wenn sie mich an die Wand stellen. Ich gab ihm zu bedenken,
daß die Leute an mir als Priester irre werden müßten,
wenn ich das, was die Menschen mir als Seelsorger unter dem Siegel der
Verschwiegenheit sagen, der Gestapo mitteilen würde, und so die Menschen
ins größte Elend brächte. Nach dem bürgerlichen Gesetzbuch
brauche darum der Seelsorger nichts vor dem Gericht auszusagen, was ihm
in Ausübung seines Berufes mitgeteilt würde. Dazu bemerkte der
Assessor, das gelte jetzt nicht mehr, das sei hinfällig. Ich wolle
scheint's mit Gewalt Märtyrer werden."
Noch in dieser bedrohlichen Situation hatte Rupert Mayer die Nerven,
die Herren über sein irdisches Schicksal mit boshaften Bemerkungen
zu verärgern. Über seine Beobachtungen im Vorzimmer des
Vernehmungsraums erzählt er selbst:
Es kamen allerhand Leute herein. Fast alle machten einen sehr verängstigten
Eindruck, stießen mit dem Deutschen Gruß ihr ,Heil Hitler!'
heraus und fragten zähneklappernd vor Angst nach dem Zimmer, wohin
sie gehen müßten. Als ich diesem Treiben längere Zeit
zugeschaut hatte, fragte ich den Beamten, ob er glaube, daß man
mit dieser Angst und Furcht aufrechte deutsche Männer erziehen könne.
Wie ich erwart habe, bekam ich keine Antwort."
Der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, ordnete bald darauf Schutzhaft"
für die Dauer des Krieges an. Man begründete den Befehl dem
Münchner Ordinariat gegenüber so: Da nicht damit zu
rechnen ist, daß Pater Mayer von seinem Standpunkt abgeht, was vom
katholischen Standpunkt aus erklärlich ist, andererseits aber der
Staat ein Interesse daran hat, Illegalitäten zu verhindern und Mörder
nicht bei Geistlichen Deckung finden zu lassen, wird zur Vermeidung weiterer
solcher Konflikte verfügt, daß Pater Mayer für die Dauer
des Krieges in Isolierungshaft zu nehmen ist."
Von da an war Pater Mayer verschollen. Alle Nachforschungen seiner
Mutter und seiner Mitbrüder blieben vergeblich - bis nach zwei Monaten
endlich in München
bekannt wurde, wo man den Pater hingebracht hatte: nach Sachsenhausen
bei Oranienburg, ins Konzentrationslager.
Dort im KZ hatte man Order gegeben,
den Namen des Häftlings Mayer in die normale Kartei nicht einzutragen.
Rupert Mayer bekam das durch Zufall mit und konnte sich nicht erklären,
was das bedeuten solle; vielleicht daß man mich zu gegebener
Zeit leichter verschwinden lassen könnte?"
Am 23. Dezember 1939 war der Jesuitenpater im Gefängnis des Konzentrationslagers
angekommen. Obwohl der Invalide gewisse Hafterleichterungen erhielt, machten
ihm die strenge Isolierung und die höllischen Schmerzen an seinem
Beinstumpf schwer zu schaffen. Waschen mußte er sich im großen
Waschhaus ganz allein, entweder vor oder nach den anderen Häftlingen;
auch an die frische Luft ließ man ihn nur allein, mit der strengen
Weisung, nicht einmal mit dem Wachtposten zu sprechen,
Es ist schon furchtbar",
gestand er in Ettal, daß man wünschen muß, daß
wir den Krieg verlieren." Die Nazis seien nur hochgekommen, weil
die Menschen nicht mehr nach der alten Philosophie mit ihrem kristallklaren
Denken geformt seien. Nur weil die Menschen keine gültigen
Maßstäbe mehr haben, weder im Denken noch im Tun, weil sie
Wetterfahnen geworden sind, konnte dieser Irrtum triumphieren."
Deshalb müsse die nötige gesellschaftliche Neuordnung auch in
erster Linie in einer Herzenserneuerung" bestehen, in einer
Abkehr vom Diesseitskult und einer herzhaften Rückkehr"
zu Gott.
gekürzte Zeittafel zu Rupert Mayer
1936 Erste Verwarnung durch die Staatsanwaltschaft
7. 4. 1937 Redeverbot für das gesamte
Reichsgebiet
5. 6. 1937 Verhaftung durch die Gestapo
22.723. 7. 1937 Verhandlung vor dem Sondergericht
München. Rupert Mayer
wird wegen Kanzelmißbrauchs" und Vergehens gegen das
Heimtückegesetz" zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.
Aufhebung des Haftbefehls
5. 1. 1938 Erneute Verhaftung wegen Verstoßes
gegen das Predigtverbot
17. 1. 1938 Einlieferung in das Gefängnis
Landsberg
Vollstreckung der im Juli 1937 verhängten Strafe
3. 5. 1938 Vorzeitige Entlassung im Rahmen
der Österreich-Amnestie"
3. 11. 1939 Dritte Verhaftung wegen Wahrung
des Seelsorgegeheimnisses
Einlieferung in das Münchner
Gestapo-Gefängnis
23. 12. 1939 Überführung in das
KZ Sachsenhausen
7. 8. 1940 Hausarrest in der Abtei Ettal
11.5.1945 Rückkehr nach München,
Wiederaufnahme der Seelsorgstätigkeit
1.11. 1945 Während der Predigt in St.
Michael erleidet Rupert Mayer einen Gehirnschlag
er stirbt in der Klinik Josefinum
26. 6. 1950 Eröffung des Informativprozesses
für die Seligsprechung in München
20. 7. 1960 Papst Johannes XXIII. eröffnet
das offizielle Seligsprechungsverfahren
8. 2. 1983 Plenarsitzung der Kardinalskongregation
für die Selig- und Heiligsprechungen mit dem einstimmigen Urteil,
Pater Mayer habe die menschlichen und christlichen Tugenden in hervorragendem
Maß gelebt (wichtigste Voraussetzung für eine Seligsprechung)
Rund 300000 Menschen haben sich seit 1972 in die im Bürgersaal aufliegenden
Listen mit der Bitte um die Seligsprechung eingetragen
3. 5. 1987 Johannes Paul II. spricht Pater
Rupert Mayer im Münchner Olympiastadion selig
zitiert aus: christian feldmann die wahrheit muß
gesagt werden
Rupert Mayer Leben im Widerstand © Verlag Herder Freiburg im Breisgau
1987 wikipedia
und es gibt immer einen Horizont, zu dem es einen hinzieht.
Ich bin in einem Zigeunerwagen geboren (in Wampersdorf, nahe bei Baden
bei Wien), an einem Bachufer, an dem damals sechs Zigeunerwagen standen.
Ich bin ohne die Hilfe eines Arztes auf die Welt gekommen, die Mutter
und die anderen Frauen wußten schon, was zu tun war.
Mein Vater Wackar war ein wandernder
Pferdehändler, meine Mutter Marie versorgte uns Kinder, die ersten
sieben Jahre meines Lebens zogen wir immer herum. Im März ging es
los, von Wien weg. Zuerst
kaufte mein Vater ein paar Pferde. Es gab damals im 10. Bezirk einen Pferdehandelsplatz,
gleich oben am Wienerberg, bei der Spinnerin am Kreuz (nahe towers).
Mit den Pferden gingen sie dann zu den Bauern, und die haben ganz gerne
bei den Zigeunern gekauft, weil sie wußten, daß die was von
Pferden verstanden und stets gute Pferde hatten.
Wir gaben untereinander die Nachrichten weiter, wo die Gendarmen gut oder
schlecht waren, die Zigeuner durften ja immer nur 48 Stunden in einem
Ort bleiben.
Unsere Familie hatte aber auch einen Heimatschein und einen Gewerbeschein
und alle notwendigen Papiere, wir sind ja seit fast 300 Jahren in Österreich
ansässig.
Mit uns sind auch oft viele Handwerksburschen gezogen. Wenn die
wo Zigeuner sahen, so sind sie gekommen und haben gesagt: »Können
wir mit euch bis dorthin und dorthin mitfahren?«, und wir haben
sie gerne mitgenommen. Die halfen uns dann bei der Arbeit, reparierten
Dinge, und dafür haben sie zu essen bekommen, weil zu essen hat es
bei den Roma und Sinti immer genug gegeben
Manche von denen zogen jedes Jahr mit uns, mit einigen bin ich groß
geworden. Die haben sogar das Romanes gelernt, was wirklich eine schwierige
Sprache ist, manche konnte man dann gar nicht mehr von den echten Roma
unterscheiden.
Wir haben gewußt,
daß schon 1939 viele Sinti und Roma in Österreich von den Nazis
verhaftet und nach Deutschland in KZ geschickt worden waren, in Österreich
waren viele nach Lackenbach gekommen. Für uns war es ein Schutz gewesen,
daß wir rechtzeitig von der Wanko-Stätten (treffpunkt im 10.)
und von den anderen Zigeunern weggezogen waren. Es war aber nicht einfach
für uns, in ein Haus zu ziehen, wir waren feste Wände um
uns einfach nicht gewohnt. Besonders meine Mutter hat nichts mit Herd
und Ofen anfangen können, sie hat lieber vor dem Haus ein Feuer gemacht
und dort gekocht. Das Haus war aber ein Schutz für uns, denn
viele Zigeuner, die noch versucht haben zu wandern oder in ihren Wagen
gelebt haben, sind bald verhaftet worden und für immer verschwunden.
Anfang 1940 sind mein Bruder und
ich wieder einmal auf die Wanko-Stätten gelaufen, wir wollten unsere
Oma besuchen. Aber auf einmal waren spanische Reiter mit Stacheldraht
rund um die Zigeunerwagen, und wir konnten nicht mehr hinein. Wir sind
dann durch den Zaun gekrochen, aber drinnen hatten alle Angst. Als
wir sie ein paar Wochen später besuchen wollten, war die Wanko-Stätten
leer, die 200-300 Zigeuner mit ihren Wagen, die sonst immer dort gelagert
hatten, waren verschwunden. Wir sind nach Hause gelaufen und haben
das aufgeregt der Mutter erzählt, und der sind die Tränen gekommen,
und sie hat gesagt: »Mein Gott, jetzt haben sie sie abgeholt.«
Und sie sind wirklich von der SS abgeholt worden und irgendwo auf dem
Weg nach Polen, zwischen Kattowitz und Auschwitz, hat man sie in einem
Wald erschossen, den ganzen Stamm, alle unsere Freunde und Verwandten.
Wir haben uns für Wochen nicht mehr auf die Straße getraut,
gerade daß wir in die Schule gegangen sind. Dort haben wir aber
nie Schwierigkeiten gehabt, die Kinder haben uns alle gemocht. Die
einfachen Wiener waren immer freundlich zu uns
/\nfang 1942 wurde dann mein
Vater in Wien verhaftet,
weil er Zigeuner war.
Er kam zuerst ins KZ Dachau, dann ins KZ Mauthausen und später im
Jahr wurde er wieder ins Polizeigefangenenhaus auf der Rossauer Lände
zurückgebracht. Zum Verhör, weil er so verzweifelt war, daß
er in den Konzentrationslagern alles mögliche erfand, was er in den
letzten Jahren gestohlen hätte, damit sie ihn wieder nach Wien
zurückbrächten. Schließlich kam er ins sogenannte Zweier
Landesgericht am Hernalser Gürtel, und dort sind wir ihn dann einmal
besuchen gegangen, er versuchte, mich durch das Gitter zu küssen,
aber es ging nicht, die Eisenstäbe waren zu dick.
Dann hat man ihn wieder weggebracht, und ich habe ihn nie wieder lebendig
gesehen. Meine Mutter hat uns die Schachtel
dann gezeigt, es war lauter Asche darin und kleine Knochen: »Seht's«,
hat meine Mutter gesagt, »das ist euer Vater.«
Die nächste, die man dann
geholt hat, war meine Schwester Kathi
Eines Tages ist sie von der Arbeit nicht mehr nach Hause gekommen und
bald haben wir erfahren, daß sie im Zigeunerlager Lackenbach war.
Alle Wiener Zigeuner hat man an diesem Tag, es war der 3. März 1943,
eingefangen und ins Gefängnis gesteckt. Für uns Kinder war das
alles eher lustig, wir haben ja nicht begriffen, was da vor sich ging.
im Lager Birkenau
Links mußten sich die Frauen aufstellen, rechts die Männer.
Man kam dann zu zwei SS-Leuten und zu zwei Häftlingen, denen mußte
man den linken Arm hinhalten, und dann wurde einem dort die Nummer eintätowiert.
Z: - 5742 wurde meine Nummer, ich trage sie heute noch am Arm, Z für
Zigeuner, zwei Punkte für Vollzigeuner, ein Punkt wäre Halbzigeuner
gewesen und kein Punkt stand für Mischling.
Ich habe an diesem Tag meinen Namen verloren, ich war nur mehr eine
Nummer.
Frauen, die nichts zu tauschen hatten als ihren Körper, stellten
sich manchmal an den elektrischen Zaun am Russenlager und hoben die Röcke
und ließen sich von allen Seiten bewundern, dafür haben die
Russen Zigaretten und Brot über den Zaun geworfen. Viele haben es
aber nicht ausgehalten und sind in den elektrischen Zaun gelaufen, es
gab ein Zischen, es stank, und der Mensch verkohlte zu einem kleinen Klumpen
von schwarzem Fleisch.
Man wußte ja nie, wie man
sich diesen Leuten gegenüber verhalten sollte. Irgendeine unbedeutende
Bemerkung konnte einen SS-Posten dazu bringen, einen zu prügeln oder
zu erschießen, manchmal konnte man aber auch mit Witz und Frechheit
und Verzweiflung Dinge erreichen. Alles gab es in Buchenwald im Winter
1944/45. Es gab Kannibalismus unter den Häftlingen, einmal hat
ein Häftling versucht, an unserem Feuer ein Stück Fleisch zu
rösten, von dem man sehen konnte, daß es Menschenfleisch war.
Aber niemand hat etwas gesagt, die Menschen waren zu abgestumpft, und
außerdem hatte auch er ein Recht zu überleben.
Weil aber die Alliierten immer näher kamen, wurden wir Anfang 1945
von Buchenwald nach Flossenbürg verlegt. Wir wurden mit dem Zug,
mit Lastautos und zu Fuß hingebracht. Es waren Hunderte von Zigeunern
dort, und wir haben uns zusammengeschlossen, weil wir gefühlt haben,
daß es jetzt darauf ankommt, nur noch ein paar Monate zu überleben,
dann würde das Dritte Reich am Ende sein, und wir wären wieder
frei.
Anfang März 1945 wurde das Lager Flossenbürg aufgelöst.
Man gab jedem von uns noch eine Handvoll Roggenkörner als Marschverpflegung,
und dann führte man die noch marschfähigen Häftlinge auf
die Landstraße, immer in Fünferreihen auf den Totenmarsch.
Immer wieder mußte die Marschrichtung der Kolonne geändert
werden, um den heranrückenden Amerikanern auszuweichen. Wir marschierten
bei Tag in Richtung Regensburg, am Abend setzten wir uns einfach an die
Ränder der Straße, es war uns egal, ob es regnete oder schneite,
ob der Boden trocken war oder man sich in die großen Wasserlachen
fallen ließ, es war egal, weil man einfach zu müde war, um
noch etwas zu spüren. Die SS bildete einen großen Kreis
um uns, und wer nach dem Kommando: »Niedersetzen!« noch aufstand,
wurde ohne Warnung niedergeschossen; es war ihre Art, die Kontrolle über
die Häftlinge zu behalten.
Wir waren nun bereits seit
acht Tagen unterwegs und marschierten durch die Oberpfalz Richtung Kamm.
Wir bekamen von der SS nun überhaupt nichts mehr zu essen und auch
nichts mehr zu trinken, aber zu unserem Glück hatte es in den
letzten Tagen geregnet, und wir tranken aus den Wasserlacken von der Straße.
Tag um Tag ging es so weiter. Nach etwa zwei Wochen schöpften
wir kurz Hoffnung, als einige amerikanische Flugzeuge unsere Kolonne überflogen.
Die SS geriet immer mehr in Panik und wurde von Tag zu Tag grausamer und
bösartiger. Ich weiß heute nicht mehr, wie wir durch diese
Wochen kamen, aber es war deutlich zu sehen, daß wir immer weniger
wurden
Aber noch wurde rings
um uns geschossen, und wir stolperten nun einen Berg hinauf, neben uns
liefen andere Häftlinge, und plötzlich sah ich unter ihnen einige
SS-Wachen in Häftlingskleidern, sie hatten die Häftlinge erschossen
und ihr Gewand angezogen und versuchten, so zu flüchten. Etwa auf
der halben Höhe des Berges hörten wir nun Maschinengewehrfeuer
und warfen uns in einen Graben. Wir konnten nicht sehen, wer da vor uns
schoß, und Fredl sagte: »Karl, komm, da hast du einen Stock
mit einem weißen Tuch darauf, du bist der Kleinste, auf dich werden
sie nicht schießen, geh nachschauen.« Es krachte überall,
als ich den Stock nahm und vorausmarschierte.
Auf einmal stand vor mir eine Gruppe Soldaten in fremden Uniformen und
die Gewehre im Anschlag. Fredl sagte zu mir: »Du, wir können
ja kein Englisch, zeig ihnen deine KZ-Nummer.«
Ich streifte den Ärmel hoch und zeigte ihnen meine Tätowierung.
»You are a prisoner from a concentration camp?« fragte einer
Die hatten für die Überlebenden
des KZ Flossenbürg nicht weit von Rotz auf einem großen Feld
ein Lazarett aufgebaut, in dem wir behandelt wurden. Das Faszinierendste
für uns waren aber die großen Kessel, in denen das Essen gekocht
wurde, wir Kinder konnten stundenlang dabeistehen und den amerikanischen
Köchen beim Umrühren zusehen.
Wien war 1946 nicht der
beste Ort für zwei halbwüchsige Kinder, und so beschlossen wir
nach einigen Wochen, zurück auf unseren Bauernhof in die Oberpfalz
zu fahren, immerhin hatte man uns dort anständig behandelt, und zu
essen hatte es auch immer gegeben. Es war ein Riesenhallo, als wir wieder
nach Rotz kamen, und wie vor unserer Fahrt nach Wien arbeiteten wir wieder
am Feld und in den Ställen, bis eine suchmeldung aus Wien
kam)
Wir sprangen auf und hatten eine bequeme Fahrt bis an die Demarkationslinie
in Linz-Urfahr. Hier wollten wir über die Donau zur amerikanischen
Seite wechseln, aber als wir an die Brücke kamen, stand mitten
auf der Fahrbahn ein riesengroßer russischer Panzer und der kommandierende
Offizier winkte uns zur Seite. Wir konnten zwar hinübersehen
zu den Amerikanern, aber die Russen wollten uns nicht durchlassen, keine
russischen Papiere, hieß es immer: »Nix da, Karascho.«
Wir versuchten es mit der KZ-Nummer, wir flehten, wir verhandelten: »Nix
da, Karascho«, und: »Dawai, dawai.« Irgendwann war ich
dann so verzweifelt, daß ich zu meinem Bruder auf Romanes sagte:
»Dickga tschorro. Mascha tschi mugell ame kehre de schas.«
(Schau, der schlechte Russe läßt uns nicht nach Hause gehen.)
Auf einmal drehte sich der russische Offizier mit einem Ruck um, er kniete
sich vor uns auf die Straße und umarmte uns und sagte: »Schawalle,
na daran wie me Sim Rom sar du me, me awaw an dei Moskau.« (Kinder,
habt keine Angst mehr, ich bin auch ein Rom und aus Moskau.)
Ab da hatten wir gewonnen. Er gab uns einen ganzen Rucksack voll Essen
mit und führte uns an der Hand über die Brücke zu den Amerikanern.
Das war unsere Heimkehr. Mit meiner Schwester Mitzi, die später
noch kam, waren wir sechs Personen, die übergeblieben waren vom großen
Stamm der Bagareschtschi, einem Stamm der Roma-Zigeuner, der vor dem Krieg
noch etwa 250 Menschen umfaßt hatte. Außer uns sechs hat keiner
unseres Stammes das Dritte Reich überlebt
Unser Anfang in Wien nach dem Krieg war schwer. Anfang 1947 haben wir
in der Hohenauergasse gewohnt. Ich war in dieser Zeit öfters im Spital.
Durch die brutalen Schläge im KZ wegen der gestohlenen Seife hatte
ich Knochenmarkseiterungen bekommen und wurde mit der neuen Wundermedizin
Penicillin behandelt, damals noch eine entsetzliche Prozedur, wo einem
eine Nadel in den Knochen gesteckt wurde und man stundenlang ruhig liegen
mußte, bis alle Infusionen drinnen waren. Auch später mußte
ich immer wieder wegen dieser Dinge ins Spital, und 1948 war es so arg,
daß ich eine Zeitlang auf Krücken herumlaufen mußte.
Der Mann meiner zweiten Schwester, Kathi, ist auch mit Stoffen hausieren
gegangen. Der hat uns einmal auf die Seite genommen und hat zu uns gesagt:
»Ihr könnt nicht länger eurer Mutter auf der Tasche liegen.
Ich beschaff' euch ein paar Stoffe, und ihr geht auch hausieren.«
Am Anfang war es schwer für uns, wir waren ja keine geregelte Arbeit
gewöhnt und Ausbildung haben wir wegen des Krieges auch keine gehabt.
Bei einem Großhändler im 9. Bezirk haben wir unsere ersten
Stoffe gekauft, drei Meter Stoff, gerade genug für einen Anzug. Er
war nicht teuer, so um die 60 Schilling alles zusammen. Die haben
wir in eine Aktentasche getan und sind losgegangen. Ich habe mich zuerst
nicht in die Häuser getraut und bin den ganzen Tag nur spazierengegangen.
Als ich am Abend nach Hause kam, saß mein Bruder schon da, der war
ja doch älter als ich und ein bißchen mutiger, der hatte seine
Stoffe verkauft. »Wie hast du das gemacht?« habe ich ihn gefragt,
und am nächsten Tag sind wir zu zweit gegangen, und er hat mir gezeigt,
wie es geht. (anm das findest du im buch)
Schließlich haben wir jeden Tag ein paar hundert Schilling verdient,
das war viel Geld für diese Zeit. Ich habe meiner Frau dann das
Hausieren beigebracht. Am Anfang hat sie sich nicht getraut, sie hat immer
gesagt: »Wie soll ich das machen?« und war sehr ängstlich.
Also habe ich ihr eines Tages zwei Stoffe gekauft, habe sie ihr in die
Hand gedrückt und bin mit ihr in den letzten Stock eines Mietshauses
gegangen. Ich habe an der Woh-nungstüre angeläutet und bin dann
schnell die Stiegen hinuntergelaufen. Sie stand nun allein vor der Tür
und mußte schauen, wie sie zurechtkam. Nach zehn Minuten war sie
total glücklich wieder herunten auf der Straße und hat beide
Stoffe verkauft gehabt. Was sie aber nicht wußte, war, daß
die Frau in der Wohnung eine Bekannte von mir war und ich ihr am Tag vorher
das Geld gegeben hatte und ihr gesagt hatte, was sie zu tun hatte. Die
hat ihr eine tolle Komödie vorgespielt, hat hart mit ihr gehandelt
und am Ende natürlich gekauft. Meine Frau konnte es gar nicht fassen,
wie viel sie in den paar Minuten verdient hatte und drängte mich,
gleich weiterzumachen. Ab dem Tag hat sie ganz toll verkauft, sie war
fast besser als ich.
Wir haben einen Perser gekannt, der hat zu uns gesagt: »Ich
gebe euch ein paar Teppiche in Kommission, versucht sie zu verkaufen.«
Wir haben am Anfang ein bißchen daran gezweifelt, daß wir
das können, aber bald haben wir gemerkt, daß das Geschäft
läuft. Wir haben zum Beispiel einen Teppich um 2.000 Schilling bekommen
und um 4.000 verkauft, das war natürlich ein ganz anderer Gewinn
als mit den Stoffen und Vorhängen, da kam nun eine Menge Geld in
Bewegung. Wir haben immer mehr umgesetzt auf den Märkten, aber bald
hat man schon gesehen, daß auf den Märkten auch nicht das reiche
Publikum zu Hause ist. So haben mein Bruder und ich uns einen Laden in
Wien gemietet, im
ersten Bezirk in der Goldschmiedgasse, und haben dort einen Teppichhandel
angefangen. Bald kauften wir selbst in Persien ein, weil die Zwischenhändler
alle Halsabschneider waren; sie haben den Gewinn gehabt und wir die Spesen.
Ein wenig nördlich von Rom
sahen wir am Strand eine Menge Zigeunerwagen stehen und stellten uns dazu.
Die italienischen Zigeuner waren freundlich, und als sie draufgekommen
waren, daß wir auch Zigeuner waren, luden sie uns ein mitzufahren.
Aber ich sah schon, das wird nichts, ich konnte einfach in der Primitivität
nicht mehr leben, ich brauchte warmes Wasser, eine anständige Toilette,
einen Herd und was sonst noch so dazugehört zur Zivilisation. Vielleicht
ist das die furchtbarste Rache Hitlers an uns Zigeunern, in seinen KZ
wurden wir geschliffen und erzogen, die Traditionen wurden gebrochen,
das Zigeunerleben hat er uns ausgetrieben. Damit hat er uns unsere Kultur
und unsere Identität weggenommen, so seltsam es klingt, aber die
größte Barbarei der westlichen Kultur hat uns nichts anderes
übriggelassen, als uns dieser Kultur auf Gedeih und Verderb zu ergeben.
Ich bin ziemlich ernüchtert nach Wien
zurückgefahren. In der Gumpendorfer Straße kaufte ich
ein eigenes Geschäft, das wir bis 1968 betrieben, dem Jahr, als wir
nach Amerika gingen.
Was wir bald merkten, war, daß
man als Zigeuner in den USA niemals so schief angeschaut wird wie in Europa.
Es gibt viele Roma und Sind in Amerika, überall leben sie, sie
haben schöne Häuser und sind in die Gesellschaft aufgenommen.
Sie leben mitten in den amerikanischen Gemeinden, angesehen und geachtet
und nicht am Rand der Städte und Dörfer, wie in Österreich
oder Deutschland.
Nachdem Isabella, Robert 14 Tage in Amerika waren, schrieb ich die Kinder
in der Schule ein, die nicht weit von unserem Haus war. Die Kinder waren
zwar nicht begeistert und sie sagten: »Was sollen wir in der Schule,
wir verstehen ja kein Wort Englisch?« Aber es nützte nichts,
am ersten Tag ging ich mit ihnen zur Schule und erklärte der Lehrerin
das Problem. »Don't worry«, sagte sie, und als ich die
Kinder nach der Schule abholte, hatten sie schon Freunde und es gefiel
ihnen eigentlich ganz gut. Nach ein paar Tagen sprachen sie besser
Englisch als ich nach meinen drei Monaten in Amerika.
1973 kamen wir aus Amerika wieder nach Österreich heim, wirklich
heim, nicht einfach zurück nach Österreich. Ich fing nun richtig
an zu malen, schöne bunte Bilder auf Leinwand und in Öl, die
meisten habe ich heute nicht mehr, ich habe sie verschenkt an Freunde
und Bekannte. Eines Tages kam ein Mann zu mir ins Geschäft, schaute
sich die Teppiche an und sagte, daß er Maler sei und ob ich ihm
nicht einen Teppich gegen ein Bild von ihm eintauschen würde. Ich
erzählte ihm, daß ich auch malte, und zeigte ihm einige meiner
Bilder. Es war das erste Mal, daß jemand außerhalb meiner
Familie sie zu sehen bekam, und er war ganz begeistert davon. So bin ich
dann auch zu einigen Ausstellungen gekommen, im alten Rathaus in Wien,
in der Virgilkapelle, und nun werden meine Bilder auch in Amerika ausgestellt,
im Holocaust Memorial Museum in Washington.
Mit dem Alter sind auch die Ehrungen gekommen. Begonnen hat es
mit dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, das
mich befragt hat; ich wurde in die verschiedensten Vereine und Institutionen
eingeladen, um als Zeitzeuge über meine Jugend und mein Leben zu
sprechen.
Besonders berührt haben mich zwei Ereignisse. Bei der Eröffnung
des Holocaust Memorial Museum in Washington wurde ich eingeladen, stellvertretend
für die Zigeuner dieser Welt eines der ewigen Lichter dort anzuzünden,
eine große Ehre für mich und ein Gedenken für alle durch
die Nazis ermordeten Zigeuner. Und ein Jahr später empfing mich der
Papst jo paul2, sprach mit mir über die Zigeuner und sagte uns seine
Unterstützung zu beim Kampf um das Überleben unseres Volkes.
Auschwitz und die Nazis habe ich nie vergessen können, aber mit der
Zeit sind die Bilder aus meiner Jugend in meinem Kopf verblaßt......weil
es notwendig ist, daß alle Menschen erfahren, was man im
Dritten Reich mit den Zigeunern gemacht hat.
ein typisches Romano-Essen. Es ist sehr einfach zuzubereiten. Man nimmt
einen großen Topf halb voll mit Wasser, zerschneidet zwei Hühner,
gibt 1-2 kg Kartoffeln dazu, 3-5 schöne Tomaten kommen hinein, Salz,
Pfeffer und Gewürze, und dann läßt man es langsam kochen.
zitiert aus Auf der ganzen Welt zu Hause: das Leben und
Wandern des Zigeuners Karl Stojka / Karl Stojka; Reinhard Pohanka©
1994 Picus Verlag
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